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Berlin: Mein Mann, der Flugzeugentführer

19-jährige Berlinerin hofft, dass Özgür milde bestraft wird

Es war eine Wahnsinnstat: Ein junger Türke entführt Ende März ein Flugzeug der Turkish Airlines mit 200 Menschen an Bord. Darunter sind neun Deutsche, drei türkische Abgeordnete der Regierungspartei und ein ehemaliger Minister. Der Verdacht liegt nahe, dass es eine politisch motivierte Tat ist, aber der Mann will „nur“ eines: Nach Berlin zu seiner Ehefrau. Nun sitzt er in Athen im Gefängnis und wartet auf seinen Prozess.

Seine Ehefrau Fatma M. (Name geändert) kann die Tat bis heute nicht fassen. „Ich habe die weinenden Menschen im Fernsehen gesehen. Es tut mir so Leid, was passiert ist.“ Die zierliche 19-Jährige aus Neukölln hat dunkle Ränder unter den Augen und sieht abgemagert aus. „Ich werde ein Flugzeug entführen, um zu dir zu kommen“, hatte ihr Ehemann wenige Tage zuvor am Telefon gesagt. Denn er durfte aus der Türkei nicht ausreisen, weil er Fahnenflüchtiger ist. Fatma nahm seine Worte nicht ernst und lachte sogar darüber.

Am 28. März, etwa 20 Minuten nach dem Start des Airbus, drang ihr Ehemann ins Cockpit ein und drohte dem Piloten mit einer Bombenattrappe, gebastelt aus Kerzen. Die Forderung des Luftpiraten: Der Pilot soll ihn nach Berlin fliegen. Soweit kam er nicht. Die Maschine musste in der griechischen Hauptstadt zwischenlanden, weil sie zu wenig Treibstoff hatte. Nach stundenlangen Verhandlungen gab Özgür Gencaslan auf.

Der gelernte Kfz-Mechaniker und die in Berlin geborene Fatma lernten sich vor knapp einem Jahr im Badeort Antalya kennen. Es war Liebe auf dem ersten Blick, sagt sie. Nur zwei Monate später gaben sie sich in Ankara das Jawort. Bei der Hochzeitsfeier waren nur die Verwandten des Bräutigams dabei. Die Eltern von Fatma sind bis heute gegen die Ehe.

Zwei Mal, für mehrere Wochen, besuchte sie seit der Hochzeit ihren Ehemann. Doch seit sie in Berlin ihre Ausbildung als Arzthelferin begann, ist nicht nur das Geld, sondern auch die Zeit knapp. Özgür hingegen war nach seiner Einberufung zum Militärdienst bei Verwandten in Istanbul untergetaucht. „Er hatte eine höllische Angst, mich in der langen Militärzeit zu verlieren“, sagt sie.

Als die ersten Bilder von der gekaperten Maschine auf der Piste des Athener Flughafens über die Bildschirme flimmerten, wusste die Ehefrau noch nichts von der schrecklichen Tat. Ihr Vater übermittelte die Nachricht, nachdem im türkischen Fernsehen der Name Özgür Gencaslan fiel. „Ich war zwei bis drei Tage im Schockzustand“, sagt Fatma. Eine Woche habe sie gebraucht, um wieder richtig zu sich zu kommen.

Nun telefoniert Fatma täglich mit ihrem Ehemann. Er erzählt ihr, wie Leid ihm seine Tat tut. Er habe einen Anwalt bekommen und ein Psychologe kümmere sich im Gefängnis um ihn. Das Paar lebt nun von der Hoffnung, dass er mit einer milden Strafe davonkommt. Doch selbst, wenn er zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt werden sollte, will sie auf ihn warten, sagt sie. Schließlich habe er die Tat nur aus Liebe zu ihr begangen.

Suzan Gülfirat

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