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Berlin: Mein Name ist Weihnacht – Michael Weihnacht

Ganz schön feierlich: Auch in Berlin tragen die Menschen Namen von Festtagen. Wenn sie sich am Telefon melden, legt ihr Gegenüber schon mal auf: Wollen die mich auf den Arm nehmen?

Es gibt doch tatsächlich Kinder, die können sich so gar nicht über den Weihnachtsmann freuen. Wenn sie so heißen wie Michael Weihnacht. „Früher in der Schule haben mich alle immer mit der Bezeichnung ,Du Weihnachtsmann‘ gehänselt.“ Heute, vier Jahrzehnte später, kann den Mann aus Karlshorst so was nicht mehr schocken. Ob Weihnacht oder Silvester – Berliner mit derart feierlichen Nachnamen entlocken um diese Jahreszeit bei ihrem Gegenüber oft ein seliges Lächeln.

Das heilige Fest findet sich im Berliner Telefonbuch als Nachname ein halbes Dutzend Mal. In ganz Deutschland hören nur 38 Menschen auf diesen Namen. Herr oder Frau Weihnachten gibt es nicht – der Plural bedeutet „weihe Nachten, also heilige Weihnacht“, erklärt Namensforscher Jürgen Udolph. Und warum nur die Einzahl? „Der Name Weihnacht steht für den 24. Dezember, den Tag, an dem das Kind geboren wurde.“ Mit „Weihnacht“ meldet sich auch Herbert Weihnacht aus Hohenschönhausen am Telefon. „Die Leute freuen sich und sagen, das ist aber ein schöner Name“, erzählt der 70-Jährige. Nur damals, als Werktätiger im VEB Wohnungsbaukombinat, da nahmen ihn die Kunden am Telefon manchmal nicht ernst. „Einmal hat ein Anrufer aufgelegt, rief nochmal an, legte wieder auf. Da dachte ich: Das nächste Mal bitte ich meinen Kollegen, abzuheben.“ Wie der mit Nachnamen hieß? „Silvester.“ Aber so weit ist es ja noch nicht. In dieser Woche sind erst andere Namen im Trend.

Erst recht, wennn sie so schön klingen: Isabel Maria de Jesus Duarte. Da ist schon beinahe die komplette Weihnachtsgeschichte enthalten. „Bei uns in Portugal ist das ein Name wie hier Müller, Meier oder Schulze“, sagt die 38-Jährige Charlottenburgerin. Wie man zu so einem Marathon-Titel kommt, für den das Namensfeld auf Verträgen und Formularen oft nicht ausreicht? „Der Name Jesus wurde mir mütterlicherseits übertragen, Duarte habe ich von meinem Vater“, sagt Frau Jesus. So funktioniert das mit der Vergabe der Nachnamen in Portugal. „Ein schöner Brauch“, findet Frau Jesus. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten – der übrigens Francisco Chatinsky Nunes de Oliveira heißt – und der vierjährigen Tochter Francisca feiert sie Weihnachten schon seit dem 22. Dezember. Auch die Krippe ist lange aufgebaut. Das Feiertagsessen: Stockfisch. Die Geschenke – so will es die portugiesische Tradition – gibt es aber erst in der Nacht von Heiligabend auf den ersten Feiertag. Da bleiben die Kinder gern bis Mitternacht auf. Jesus – in südlichen Ländern hat der Nachname Tradition. In Deutschland kommt er gar nicht vor, weiß Namensforscher Jürgen Udolph. „Aber 31 Deutsche heißen Jesumann. Auch die Nachnamen Jesuit und Jesaia sind in Deutschland vergeben“, sagt Udolph. Damit wurden die Namenspatronen des jeweiligen Tages geehrt.

Wenn Eltern ihr Kind Jesus nennen wollen, müssen sie auf die Toleranz der Standesbeamten hoffen. „Ob man den Namen akzeptiert, liegt auch immer im Ermessen des Standesbeamten“, sagt Petra Fleischer vom Standesamt in Mitte. Jesus sei im offiziellen Vornamen-Buch aufgeführt. Zwar gebe es Urteile des Amtsgerichtes Bielefeld aus dem Jahr 1963 und eines von 1985 des Landgerichtes in Mönchengladbach. Sie besagen, dass der Name nicht zulässig sei. Das Frankfurter Oberlandesgericht hielt aber später mit seiner Entscheidung dagegen: Jesus? Klar. „Wir können ja nun nicht jedes neue Urteil im Kopf haben“, sagt Frau Fleischer. Würde sie selbst den Vornamen Jesus beurkunden? Da muss sie kurz überlegen. „Das kommt auf das persönliche Lebensumfeld an. Bei einer sehr christlichen Familie kann ich mir das schon vorstellen.“ Da fällt es ihr bei dem Namen Maria leichter. „Das ist der einzige deutsche Vorname, den man einem Jungen und einem Mächen geben darf.“ In Mitte scheinen die Bürger der christlichen Tradition aber verhaftet: Im Standesamt liegen bei den Mädchen die Vornamen Sophie sowie Marie und Maria an der Spitze.

Auch Eva klingt schön – Eva Engel erst recht. „Meine Tochter Nicole und ich heißen bei den meisten Freunden ohnehin nur Engelchen“, sagt die 41-jährige Frau Engel aus Wedding. Bei den Titeln mit christlichem Klang liegen die Engel in Berlin übrigens, was die Anzahl angeht, weit vorn. „In Deutschland gibt es gleich einige Tausend“, sagt Jürgen Udolph. Semantisch erklärt sich der Nachname aber anders als gedacht. „Engel ist eine Abkürzung von Vornamen wie Engelhard. Außerdem wurden Familien auch nach Hausnamen benannt, wie ,Zum Engel‘.“ Im Mittelhochdeutschen bedeutete Engel: guter Mensch. Das kam auch Eva Engel zugute. „Ich habe früher bei einem Bestatter gearbeitet. Da waren die Leute oft froh, dass ich dem Himmel so nah bin.“

Annette Kögel

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