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Berlin: Meister der guten Laune

Er schreckt nicht davor zurück, die Leute in die Wüste zu schicken – wenn es dort ausreichend Urlauber gibt. Lothar Böken bildet Animateure aus. Wer dabei nur an Pappnasen denkt, irrt gewaltig.

Von Frank Thadeusz

Die Sache mit der hohen Arbeitslosigkeit will Lothar Böken nicht so richtig in den Kopf. „Mensch, es gibt doch so viele gute Jobs im Ausland“, sagt er kopfschüttelnd. Für Arbeit würde er Leute guten Gewissens in die Wüste schicken - vorausgesetzt, es gibt dort ausreichend Urlauber.

Die hat Lothar Böken nämlich berufsbedingt im Blick. Der 42-Jährige bildet Animateure für Ferienanlagen aus. Ein durchaus ehrbarer Beruf, wie er findet. Vorurteile wehrt Lothar Böken mit entschiedener Geste ab: „Wer glaubt, die müssen nur mit der Pappnase durch die Gegend rennen, hat eine ganz falsche Vorstellung."

Und ist er nicht höchstpersönlich der Beweis dafür, das ein jahrelang eher belächelter Berufsstand allmählich seine Aufwertung erfährt? Als „Ausbildungsleiter Touristik“ der privaten Berufsakademie für Fitness und Freizeit in Schöneberg, BSA, darf er sich guten Gewissens „Dozent“ nennen. Mit seinem federnden Gang, seiner braun gebrannten Haut und dem gestählten Oberkörper im lässigen Polohemd gibt Böken freilich einen Magister der etwas anderen Art ab. Doch wenn es um Lehrsätze und Erkenntnisse geht, kann er bestimmt sein wie ein Akademiker: „Unsere wichtigste Aufgabe ist das Bauen von Kommunikationsbrücken." Dann wird der Plauderprofi deutlicher: „Wenn morgens um sieben einer in der U-Bahn lacht und noch zwei Worte mehr als nötig spricht – den halten doch schon alle für bekloppt." Für Böken Beweis genug, dass den Menschen so langsam die Fähigkeit zum gepflegten Smalltalk abhanden kommt.

Und dann wuchtet er ein 160 Seiten starkes Kompendium auf den Tisch, in dem man nachlesen kann, wie so was geht. Der Lehrbrief, mit dem sich angehende Auszubildende von der einfachen Animations- und Dienstleistungsfachkraft bis zum staatlich anerkannten Tourismusfachwirt hochpauken können. Dass der Wälzer seine Berechtigung hat, wird klar, wenn Böken das Betätigungsfeld eines seriösen Animateurs eingrenzt: „Sie müssen einen Kurs im Bogenschießen geben, Sportverletzungen erkennen, sich in professioneller Kinderbetreuung auskennen und zu einer spontanen Gesangsdarbietung in der Lage sein." Das wahre Geheimnis des erfolgreichen Animateurs sei jedoch die Fähigkeit, sich „wie ein halber Psychologe“ zu verhalten. „Die Leute legen einem fast ihr ganzes Leben zu Füßen, wenn man ihnen nur richtig zuhört."

Wer sich zur professionellen Bewältigung von Urlaubskrisen berufen fühlt, den päppelt Böken in sechs Semestern zur Spitzenkraft mit „Arbeitsplatzgarantie" auf. Denn große Touristikunternehmen wie Robinson, ITS oder Tjaereborg reißen sich nach seiner Einschätzung um die ausgebildeten Alleinunterhalter.

Auch die Bundesanstalt für Arbeit hat offenbar die Marktlücke entdeckt und fördert die Ausbildung an der BSA.

Als Lothar Böken vor fast 20 Jahren anfing, professionell Urlaubsgäste in großen Hotels zu betreuen, war an eine Lehre für die Meister der guten Laune noch nicht zu denken. Der Tipp eines Freundes brachte ihm seinen ersten Job. Als gelernter Bankkaufmann und Sportmanager, der in seiner rheinischen Heimat auch noch das Posaunenorchester dirigierte und beim Triathlon startete, wusste er müde Erholungsurlauber zu motivieren und auf Poolpartys zu glänzen. Zuvor hatte er die Brücken zu seiner bürgerlichen Existenz abgebrochen: „Ich hab’ meine Wohnung, meine Möbel und mein Auto verkauft und stand nur noch mit zwei Tüten da." Dass er nun in Berlin wieder sesshaft geworden ist und vorwiegend als Ausbilder arbeitet, hat einen anderen Grund. Seit ein paar Jahren ist er verheiratet und hat zwei Kinder. „Ich war früher 300 Tage im Jahr unterwegs. So was geht nicht, wenn man Familie hat."

Doch das „herrliche Gefühl, den Gästen einen unvergesslichen Urlaub bereitet zu haben“, will er irgendwann wieder haben, sogar im pensionsreifen Alter. Für solche Fälle bietet sein Arbeitgeber den Abschluss als „Senior Aktiv Manager Touristik“ an.

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