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Chaim Jellinek in seiner Praxis an der Karl-Marx-Straße in Neukölln. Dort wurde vielen Heroinabhängigen geholfen.

© Paul Zinken

Methadon-Praxis in Neukölln: Arzt und Helfer Chaim Jellinek gestorben

Hausbesetzer, Drogenkonsument, dann Suchtmediziner - der bekannte Neuköllner Arzt Chaim Jellinek ist gestorben.

Schillernde Persönlichkeit – sicher, oft ist es eine Phrase. Aber wie das mit Phrasen eben so ist, zuweilen beschreiben sie jemanden doch ganz gut. Chaim Jellinek, 1956 unter anderem Namen geboren, in Wiesbaden aufgewachsen, seit 1977 in Berlin, hat viel gewollt, viel probiert, viel durchgesetzt. Jellinek war Hausbesetzer, Punkrocker, Student, er war Partygänger, Drogengenießer, Drogenskeptiker, er war Arzt, letztlich Sozialarbeiter, Vater, er war Jude, Suchtexperte, Flüchtlingshelfer.

In den Achtzigern war Jellinek in der Kreuzberger Szene aktiv, nahm – so hat er es selbst mal umrissen – allerhand Drogen. Und deshalb wusste er auch um deren Gefahren, die er stets völlig unaufgeregt benannte. Zuletzt arbeitete Jellinek als stadtweit bekannter Suchtmediziner in Neukölln. In der Praxis an der Karl-Marx-Straße wurden jene versorgt, die als Schwerstabhängige woanders nicht gern gesehen sind. Rund 15 Jahre lang behandelte er heroinsüchtige Patienten mit Substituten wie Methadon.

Zuletzt kümmerte sich Jellinek verstärkt um Tilidin-Konsumenten – jenem schmerzstillenden Arzneimittel, das in bestimmten Milieus in Berlin erstaunlich oft missbraucht wird. Als die Flüchtlingskrise in der Hauptstadt ankam, nahmen der Arzt und seine Frau ziemlich bald einen jungen Mann aus Syrien bei sich auf. In den 90ern war Jellinek zum Judentum konvertiert. Der „Jüdischen Allgemeinen“ sagte er: „Wir haben hier eine echte Chance, zu zeigen, was es bedeutet, ein Einwanderungsland zu sein.“

Chaim Jellinek starb am Samstag. Er hinterlässt eine Frau und vier Kinder.

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