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Michael Grunst im Januar 2017 bei einem Richtfest für ein Hochhaus-Neubau mit 113 Wohnungen in Lichtenberg.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Michael Grunst im Interview: „Diese Überschüsse gefallen mir nicht“

Lichtenbergs Bürgermeister erklärt, warum er das Geld des Bezirks gern ausgeben würde, aber nicht kann.

Herr Grunst, Lichtenberg ist nach den Jahresabschlüssen, die kürzlich vorgelegt wurden, der reichste Bezirk Berlins. Sie müssten ja zufrieden sein.

Die Jahresabschlüsse sind zufriedenstellend, aber ehrlich gesagt ist es nicht Aufgabe der Bezirksverwaltung, Überschüsse zu erwirtschaften, sondern die notwendigen Aufgaben wahrzunehmen. Überschüsse sind natürlich schön, so kann man Schwerpunkte in den kommenden Jahren setzten. Besser wäre es, die Schwerpunkte langfristig im Haushaltsplan einzuplanen.

Waren Sie denn besonders sparsam, dass sich so viel Geld angehäuft hat? 36 Millionen Euro Guthaben hat der Bezirk ja.

Es sind zwei Gründe. Erstens arbeiten wir sehr wirtschaftlich. Das heißt, durch die Daten, die uns die Kostenrechnung zur Verfügung stellt, wissen wir, wo wir Verwaltungsabläufe straffen beziehungsweise anders arbeiten müssen. Das begründet noch nicht allein die Überschüsse. Wir arbeiten effizient und sparsam und wissen, dass ein aufgestellter Haushaltsplan nur eine Ermächtigung ist, Geld auszugeben, keine Pflicht.

Wollen die Bezirke nicht immer mehr Geld haben?

Die Verwaltung musste sich nach Jahren des Abbaus erst einmal so aufstellen, dass sie die notwendigen Wachstumsprozesse begleiten kann. Wir stehen wie andere Bezirke auch vor der Dimension, dass wir uns nun auf Wachstum ausrichten. Und natürlich schlägt es sich auf dem Konto nieder, dass wir Schwierigkeiten haben, für die vielen spezialisierten Aufgaben, die so eine Bezirksverwaltung erfüllt, Personal zu finden.

Andererseits haben wir auch die Situation, dass wir bestimmte Bauvorhaben nicht in der Schnelligkeit abwickeln können, wie wir uns das vorstellen. Das liegt daran, dass die Bauwirtschaft derzeit gar nicht in der Lage ist, unsere umfangreichen Anforderungen aufzunehmen.

Also gibt es ein Problem beim Ausgeben des Geldes?

Problem würde ich es nicht nennen. Aber klar, ich könnte mir vorstellen, manche Dinge schneller zu erledigen, zum Beispiel die Infrastruktur zu verbessern. Das ist letztlich die Summe all dieser ganzen Faktoren, warum es auch zu Überschüssen in den Bezirken gekommen ist. Denn es hat nichts damit zu tun, dass die Bezirke exorbitant ausgestattet sind. Im Gegenteil.

Ich glaube, dass in den nächsten Jahren mehr Aufgaben auf die Bezirke zukommen und zum Teil auch schon da sind. Wir haben hohe Wartezeiten beim Wohnberechtigungsschein, bei den Standesämtern, beim Elterngeld. Wir werden in den nächsten Jahren sehr viel Personal an Bord holen, um die Dienstleistungen für die Bürger in einem vertretbaren Zeitraum zu erbringen.

Die Finanzverwaltung sagt, sie stattet die Bezirke ausreichend aus. Stimmt das denn nicht?

Der Senator, Herr Kollatz-Ahnen, sagt das nicht zu Unrecht. Das ist die Gefahr, wenn alle Bezirke jetzt Überschüsse machen. Dann wird behauptet, ihr habt doch genug Geld. Das ist aber nicht der Fall. Und wenn immer gesagt wird, wir haben 36,3 Millionen Euro Rücklagen, ist das nur ein Teil der Wahrheit. Von dem Geld sind die meisten Mittel ja schon in den Haushaltsplänen 2018/19 gebunden.

Für mehr Personal haben Sie ja noch einmal extra 50 Millionen Euro bekommen, die nur zu 10 Prozent abgerufen wurden.

Wir werden jetzt noch einmal 34 Stellen neu besetzen. Natürlich ist es nicht einfach, das Personal zu finden. Aber es ist schon notwendig, dass das Geld zur Verfügung gestellt wird. Es hat auch nichts, wie manche Senatsmitglieder meinen, damit zu tun, dass die Auswahlverfahren so lange dauern. Wir schaffen das innerhalb von drei Monaten. Wir können aber nur Stellen besetzen, wenn sich jemand bewirbt.

Und uns fehlen nicht nur Kräfte für die spezialisierten Berufe wie Baumanagement oder Ärzte, sondern auch Erzieher, Sozialarbeiter oder Verwaltungsfachkräfte. Und wenn solche Stellen nicht besetzt werden können, entstehen die Überschüsse. Das sind aber keine Überschüsse, die mir als Bürgermeister gefallen. Vor der Situation stehen auch andere. Allein im Bezirk können mehrere Hundert Kitaplätze nicht besetzt werden, weil auch in Kitas die Fachkräfte fehlen.

Und was machen Sie nun mit den 36 Millionen Euro?

Davon sind im Haushalt 2018/19 die meisten Mittel schon gebunden. Real stehen sieben Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung. Das Bezirksamt wird beraten, wo wir die Mittel einsetzen. Wir wollen die soziale Infrastruktur stärken, den Sanierungsstau in Schulen, Turnhallen bis 2021 halbieren, wollen planungsrechtliche Voraussetzungen für 11.000 weitere Wohnungen schaffen, und wir wollen die Wartezeiten für familiennahe Dienstleitungen verkürzen. Das sind Schwerpunkte, die wir gesetzt haben. Und dazu brauchen wir natürlich auch Personal.

Michael Grunst, 48, ist seit Dezember 2016 Bezirksbürgermeister von Lichtenberg. Er ist Mitglied der Linkspartei.

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