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Viel zu besprechen. Michael Müller bei der Podiumsdiskussion im Verlagshaus des Tagesspiegels mit den Chefredakteuren Stephan-Andreas Casdorff (vorne) und Lorenz Maroldt (hinten).

© Mike Wolff

Michael Müller beim Tagesspiegel-Leserforum: „Das Regieren wird schwieriger“

Der neue Regierende Bürgermeister präsentierte sich am Dienstagabend den Tagesspiegel-Lesern. Er sprach über neue Ziele, alte Versäumnisse, die CDU – und den Ruf nach mehr Bürgerbeteiligung.

Wie redet man einen an, der vor wenigen Tagen erst zum Berliner Regierungschef gewählt wurde? Herr Müller? Oder scherzhaft, Herr Regiermeister? Auf diese Eingangsfrage hat Michael Müller eine entwaffnende Antwort: Mit „Herr Müller“ mache man nichts falsch – auch wenn sein eigener Vater gerade umschwenke, von „Michael“ zu „Herr Regierender Bürgermeister“. Da hat der Wowereit-Nachfolger die Lacher auf seiner Seite, wie oft an diesem Dienstagabend im Tagesspiegel-Haus am Askanischen Platz in Kreuzberg. Fast 200 Leser sind gekommen, um den 50-jährigen Sozialdemokraten kennenzulernen. Und sie erleben einen aufgeräumten, schlagfertigen, auch selbstironischen Müller, der im Gespräch mit den Tagesspiegel-Chefredakteuren Stephan-Andreas Casdorff und Lorenz Maroldt kein Blatt vor den Mund nimmt.

„Schönefeld ist eine Katastrophe“, sagt er, als es um die Zukunft der BER-Baustelle geht. Und erklärt dann, warum er nach Mehdorns Rückzug nicht gleich bundesweit nach einem neuen Chef für die BER- Führung sucht, sondern erst mal prüfen will, inwieweit das verbleibende Team der Geschäftsführung das Mammutprojekt zu einem guten Ende bringen kann: Das habe in letzter Zeit vieles abgearbeitet und dem BER eine Perspektive gegeben.

Müller macht keinen Hehl daraus, dass er es immer noch nicht versteht, wieso Brandenburgs Ministerpräsident Woidke nicht im BER-Aufsichtsrat sitzen will. Zugleich stellt er klar, wieso er anders als Wowereit nicht an die Aufsichtsratsspitze strebt: Es fehle ihm im Vergleich zu den anderen Aufsichtsratsmitgliedern am „Wissensstand“, um der Aufgabe gerecht zu werden. Und ein Ministerpräsident wie er habe eben nur begrenzt Zeit für so eine Aufgabe – zumal die Arbeitstage auch so schon 14 bis 16 Stunden hätten.

Neben dem Politischen geht’s im Gespräch immer wieder auch ums Persönliche. „Sie gelten als empfindsam bis zur Empfindlichkeit...“ beginnt Chefredakteur Casdorff eine Frage – was bei Müller ein brüskes „Ach was!“ provoziert. Und dann die Selbsteinschätzung, er sei ja wohl nicht zufällig seit 13 Jahren in politischen Spitzenämtern. „Eine gewisse Form von Härte gehört dazu.“ Dennoch finde er es nicht erstrebenswert, alles an sich abtropfen zu lassen. Wenn ihn mal etwas ärgere oder verletze, dann wolle er das auch zeigen dürfen – Applaus im vollbesetzen Saal, wie noch öfter an diesem Abend.

Beim Reizthema Flüchtlinge wirbt Müller um Toleranz und gesteht zugleich ein, dass die Politik bei diesem Thema Verbesserungsbedarf habe. Angesichts der weiter steigenden Flüchtlingszahlen sei ein „Gesamtkonzept“ überfällig, am 8. Januar will der Senat sich in seiner Klausur damit beschäftigen, wie man Anwohner beim Bau von Unterkünften besser einbezieht, den Flüchtlingen beim Sprachenlernen und anderen Hilfen zur Integration entgegenkomme und wie man die Sorgen von Bürgern ernst nehme und sich zugleich rechtsextremen Hass-Schürern entgegenstelle. Gerade in Sachen Information von Betroffenen „können wir in Berlin noch besser werden“. Und wenn in manchen Vierteln mit 300 oder 400 Flüchtlingen mal eine Grenze erreicht sei, dann müsse man auch über Alternativen nachdenken. Gegenüber den Bezirken sei „die Kommunikation noch zu verbessern“.

Ebenso in Sachen Olympia, wie der begeisterte Ruderer Müller eingesteht. Generell gelte: „Berlin steht bereit.“ Wenn der Deutsche Olympische Sportbund sich für die Hauptstadt als Kandidat für die Spiele 2024 oder 2028 entscheide, solle Berlin das als Impuls für die Stadtentwicklung nutzen – aber nur, wenn das Internationale Olympische Komitee sich vom Gigantismus verabschiede: „Ich bin für eine entschiedene Reformolympiade.“

Gefragt, wie es denn mit der versprochenen Bürgerbeteiligung aussehe, sagt Müller dann: „Als Schlusspunkt wird es auf jeden Fall eine bindende Volksbefragung geben“.

Apropos Bürgerbeteiligung: Das gesteigerte Bedürfnis an Mitsprache sei bundesweit für die Politik eine neue Herausforderung, gibt er unumwunden zu. „Das macht das Regieren schwieriger.“ Dennoch sei die Partizipation „gut und richtig“. Man dürfe nur nicht den Fehler machen, die parlamentarische Demokratie durch die direkte Demokratie ersetzen zu wollen, denn die gewählten Volksvertreter hätten ja auch einen Auftrag von den Bürgern – auch dafür bekommt er Applaus.

Bei der Wohnungspolitik, einem seiner erklärten Schwerpunkte, gesteht Müller ebenfalls Verbesserungsbedarf ein. Die Not soll ein aufgestockter Wohnungsbaufonds ein wenig lindern, für den er sich in den Haushaltsverhandlungen einzusetzen verspricht. In Sachen Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen , welche die SPD verbieten will, baut Müller darauf, dass seine Partei sich im Koalitionsstreit bald durchsetzt: „Irgendwann wird auch die CDU vernünftig“, sagt er. Und verspricht: Noch in dieser Legislaturperiode werde es das Verbot geben.

Hinweis: Mehr über die Veranstaltung mit Michael Müller und seine Äußerungen zu den angesprochenen Fachthemen lesen Sie am Donnerstag im Tagesspiegel.

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