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Auf ein Selfie mit dem Regierenden. Tilo Jung nach dem 90-minütigen Gespräch mit Michael Müller (SPD) für sein Videoformat „Jung & Naiv“.

© Alexander Theiler

Michael Müller (SPD) im Gespräch mit Tilo Jung: „Bin ich Rumpelstilzchen?"

Berlins Regierender Bürgermeister spricht mit dem Blogger Tilo Jung über seine Liebe zum Hochdruck, sein Misstrauen und den Tagesspiegel. Auszüge aus dem Wortprotokoll eines Video-Interviews.

Der Journalist Tilo Jung hat für sein Videoformat „Jung & Naiv“ Interviews mit den Spitzenkandidaten zur Berlin-Wahl geführt. Wir dokumentieren an dieser Stelle einige Passagen aus dem Wortprotokoll des Gesprächs mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD). Das ganze Interview, in dem der Interviewer Müller wie alle seine Gesprächspartner duzt, können Sie unter www.jungundnaiv.de anschauen.

Michael, Du bist Drucker?
Ja, Buchdrucker. Wir drucken noch so richtig im Hochdruckverfahren. So wie Gutenberg.

Immer noch?
Immer noch. Mein Vater hat das ganz bewusst auch darauf ausgelegt. Ich habe eine zeitlang auch andere Technik mitgebracht, aber wir haben uns wieder darauf konzentriert. Am Setzkasten, wie Gutenberg mit Bleilettern, die hochstehen, deswegen Hochdruck. Ich kann an hunderte Jahre alten Maschinen arbeiten und mir macht es auch viel Spaß.

Was druckt Ihr denn?
Visitenkarten, Hochzeitsanzeigen, Briefpapier...

Wahlplakate?
Nein. Die sind groß, zu bunt und farbig, große Flächen und Fotos können wir nicht. Aber das was man so für den privaten Bereich braucht, das machen wir so. Und das finden viele auch schön, dass man das fühlen kann, dass der Buchstabe sich in den Karton eingedruckt hat.

Apropos SPD... Ich habe jetzt gelernt von den anderen Kandidaten, mit denen ich gesprochen habe: Berlin hat große, große Probleme. Und gleichzeitig habe ich gelernt, dass die SPD seit 27 Jahren in Berlin an der Macht ist. Bedingt das vielleicht einander?
Ich kann ja zurückfragen: Wären die Probleme vielleicht noch größer, wenn wir nicht regieren würden? Weil wir ja schon einiges gut auf den Weg gebracht haben. Ich bin keiner von den Politikern, die sagen, wir können alles, wir wissen alles besser und alles läuft mit uns von heute auf morgen perfekt.

Aber ihr müsst ja anscheinend in 27 Jahren auch einiges falsch gemacht haben.

Was denn?

Ja, das frage ich dich!

Hahaha. Was haben wir denn falsch gemacht?

Naja, ist in Berlin alles super, oder was?

Nein, es ist nicht alles super.

Also müsst ihr doch für das, was nicht super läuft, mitverantwortlich sein.

Es ist eine tolle Stadt! Jedes Jahr kommen 40 000 Leute hierher. Die ziehen nicht weg, sondern sie kommen hierher, weil die Stadt so toll ist. Weil die Universitäten hier sind, weil die Kultur hier ist, weil es eine grüne Stadt ist. Wir sind mitten in der Stadt und sitzen am Wasser. Wir haben 50 000 Arbeitsplätze im letzten Jahr dazubekommen. Das muss man doch sehen, dass das eine tolle Entwicklung ist!

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Dein Vorgänger als Regierender Bürgermeister war Klaus Wowereit...Was machst du jetzt anders als er?
Wir haben einen ganz anderen Stil. Das ist so. Klaus Wowereit ist extrovertierter und öffentlich präsenter. Ich bin da ein bisschen zurückgenommener, ein bisschen ruhiger und ich habe auch andere Themen. Mir ist Wirtschaft und Wissenschaft sehr, sehr wichtig. Bei Klaus Wowereit war das eben dieser Kreativ-, Medien-, Kulturbereich und so. Ich mache das auch alles. Das muss man auch als Regierender Bürgermeister... das ganze Spektrum. Aber man muss Schwerpunkte setzen. Und besonders wichtig ist mir jetzt wirklich das ganze Wohnungs- und Mietenthema.

Partys meidest du eher?
Na, unterschätze mich mal nicht. Ich habe schon Spaß am Feiern, aber man muss auch alles schaffen und einordnen. Der Arbeitstag eines Regierenden Bürgermeisters umfasst so 14 Stunden. Da hält sich das mit Partys auch in Grenzen.

Wäre es eigentlich so schlimm gewesen, wenn Wowereit die letzten zwei Jahre auch noch gemacht hätte?
Nein, überhaupt nicht. Klaus Wowereit und ich, wir sind solange befreundet, wir beide hätten damit am wenigsten Probleme gehabt. Aber er hat 13 Jahre regiert. Das unterschätzen viele, was das auch körperlich für eine Belastung ist.

Das merkst du jetzt auch schon, ja?
Naja, ich bin ja auch schon eine Weile dabei. Aber natürlich merke ich, dass einen dieses Amt auch körperlich fordert. Irgendwann muss man privat entscheiden, ob man es noch will, oder nicht.

"Ich bin jede Nacht am Lageso vorbei gefahren"

Tilo Jung im Gespräch mit Michael Müller (SPD).
Tilo Jung im Gespräch mit Michael Müller (SPD).

© Alexander Theiler

Was war dein größter Erfolg bis dato?
Politisch?

Ja.
Das Umsteuern in der Wohnungspolitik. Als ich ins Amt gekommen bin, war die Haltung in Berlin so: Wir haben genügend Wohnungen, wir müssen nicht bauen. Das habe ich gleich in meiner ersten Woche als Bausenator geändert und gesagt: Ab heute wird gebaut.

Wohnst du zur Miete?
Ja.

Wo?
Am Platz der Luftbrücke.

Und wie? Im Loft?
Nein. Ist eine schöne große Wohnung, das ist so. Wir sind da auch zu viert eingezogen. Zwei Erwachsene, zwei Kinder in einem normalen Altbau.

Hast du dich, seitdem die Flüchtlingssituation da ist, persönlich engagiert?
Na, das kann mal wohl sagen! Also als es losging mit der Flüchtlingsaufnahme, da sind wir ja alle erstmal davon ausgegangen, dass das Sozialressort, der Sozialsenator in Berlin dafür zuständig ist, und das auch entsprechend gut organisiert. Und ich habe ja dann gemerkt, dass das nicht funktioniert. Dann habe ich das bei mir im Roten Rathaus organisiert mit einem zusätzlichen Staatssekretär, mit Personal, dass die Unterbringungssituation besser funktioniert. Ich war selbst in den Einrichtungen, habe sie mir angeguckt, ich bin einige Wochen lang nachts, jede Nacht, vorbeigefahren an dem berühmten LaGeSo, dort wo so viele gestanden haben unter dem freien Himmel. Auch am Wochenende bin ich privat mit meinem eigenen Auto vorbeigefahren und habe mir die Situation angeguckt. Am nächsten Morgen habe ich dann im Büro gesagt, was verbessert werden muss.

Warum sollte McKinsey bei den Flüchtlingen helfen?
Es ging um das Amt, das LaGeSo!

Aber da gibt es doch einen Chef, der muss das doch wissen!
Da gibt es einen Chef, den ich dann mehr oder weniger gefeuert habe, weil er es eben nicht in Ordnung gebracht hat. Und dieses LaGeSo war mit der Situation überfordert. Die waren gar nicht darauf eingestellt, dass so viele Tausend kommen. Daraus mache ich denen kein Vorwurf. Aber man muss dann eben die Strukturen anpassen. Und man muss besser werden. Und das ist nicht passiert. Über den Chef ist es nicht passiert. Und deswegen haben wir gesagt, wir brauchen Leute, die Verwaltung organisieren können. Das sind dann auch Externe. Beispiel McKinsey – und es ist ja auch besser geworden.

Gezahlt habt ihr dafür nichts?
Die haben bundesweit das Angebot gemacht kostenlos zu helfen.

Aber was kostet Berlin im Nachhinein so eine „pro bono“-Beratung?
Gar nichts. Was soll es denn kosten?

Kann ja sein, dass McKinsey erwartet, dass ihr euch im Nachhinein revanchiert.
Kann ja sein, dass die das erwarten, aber da haben sie Pech gehabt. Die haben dem Bund ein Angebot gemacht, sie würden in einigen Städten helfen. Da haben wir gesagt, die Hilfe nehmen wir gerne an, weil wir hier im Moment nicht gut aufgestellt sind. Aber daraus können die nicht ableiten, dass sie Aufträge kriegen.

Ich habe gelernt, dass die Berliner Regierung, der Berliner Senat, die unbeliebteste Landesregierung Deutschlands ist. Wie erklärst du dir das?
Ja, ich wundere mich darüber auch manchmal. Vielleicht sind die Berliner auch besonders rustikal ihren Politikern gegenüber und besonders streitlustig. Aber es liegt bestimmt auch an besonderen Berliner Themen. Wir haben hier wirklich riesige Veränderungsprozesse, wo die Leute auch erst einmal sagen, die Politik ist schuld. 40.000 Menschen kommen jedes Jahr hier her. Das heißt, es wird voller, es wird lauter. Die Wohnungssituation verändert sich. Viele Leute haben Angst um ihren Arbeitsplatz. Ich will auch zugeben, wir haben uns auch in dieser Koalition gestritten. Das wird auch nicht honoriert.

Was war die größte Fehlinvestition der letzten Jahre in Berlin?
Puhh die größte Fehlinvestition...

Ich meine, Investition ist immer ein Risiko. Das heißt, manchmal macht man da doch was falsch.
Was falsch gelaufen ist, ist der BER. Da müssen wir nicht drum herum reden. Aber deswegen ist es nicht unbedingt eine Fehlinvestition, weil wir den Flughafen ja brauchen. Aber es hat zu lange gedauert und ist zu teuer geworden. Die Investition ist schon richtig. Nur die Baumaßnahme war natürlich furchtbar.

Wir waren gerade bei deiner Regierung, mit der man unzufrieden ist. Bist du denn mit deiner eigenen Arbeit zufrieden?
Ich sage ja, ich bin auch selbstkritisch und man kann immer irgendwas auch besser machen. Ich muss manchmal ein bisschen gelassener sein oder die Sache mit dem Umsteuern, bestimmte Prozesse früher auslösen - beispielsweise mehr Personal in die Verwaltung zu bekommen. Aber unterm Strich würde ich sagen, wir sind auf einem guten Kurs.

Wo hättest du mehr Anerkennung verdient? Wo hast du das Gefühl, dass dir die Leute da nicht genug Credits geben?
Eigentlich fühle ich mich ganz gut angenommen.

Wirst du nicht kritisiert?
Ganz schön! Aber wenn ich so durch die Stadt gehe, da sagen die Leute eben: Das hättet ihr früher machen müssen, oder stellt mehr Leute ein, oder so. Okay. Aber eigentlich sagen sehr viele zu mir als Bürgermeister, du machst das schon ganz gut und mach mal ruhig weiter.

Bist du ein misstrauischer Chef? "Ja, das stimmt schon!"

Selfie Jung und Müller.
Selfie Jung und Müller.

© Alexander Theiler

Wo warst du zuletzt im Urlaub?
Also dieses Jahr konnte ich gar nicht richtig in den Urlaub, da war ich eben nur zu Hause ein paar Tage und dann sind wir in Brandenburg unterwegs gewesen. Letztes Jahr waren wir in Portugal.

Apropos Urlaub: Was bringt Michael Müller auf die Palme?
Desinteresse. Ich habe eigentlich immer Verständnis dafür, wenn auch mal etwas nicht funktioniert. Bei mir funktioniert ja auch mal was nicht. Aber wenn es einem egal ist, das ärgert mich maßlos. Oder auch Formulierungen: Ab und zu werde ich gefragt, warum muss ich das so und so formulieren, versteht doch jeder. Ich sage: Nein, versteht nicht jeder. Formuliere es anders, macht noch mal ein Papier, schreibt es nochmal auf, damit jeder weiß, worum es geht. Wenn dann Leute sagen, naja, ist mir alles nicht so wichtig, da reißt mir manchmal der Faden.

Rastest du richtig aus?
Naja, nein.

Brüllst du?
Wir wollen es mal im Rahmen lassen... Aber es wird, sagen wir mal, unmissverständlich, was ich will.

Bist du ein guter Chef?
Gut, das müssten ja nun die sagen, die mit mir zusammenarbeiten.

Ich frag den Chef.
Es gibt ja viele, die arbeiten mit mir seit 7, 10, 15 Jahren zusammen. Also so schlimm kann es mit mir nicht sein, sonst wären die schon weg.

Wenn man so Zeitung liest, dann liest man, du sollst dünnhäutig sein. Stimmt das?
Das ist ja nun auch so ein schönes Vorurteil. So wie alle über Wowereit gesagt haben, er ist der Partymeister. Ich verstehe immer nicht, warum andere Leute sich wehren dürfen und ärgerlich sein dürfen, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen – nur ein Politiker nicht. Es gibt Artikel, die sind einfach dusslig. Die sind einfach falsch! Da stehen falsche Dinge drin, von vorne bis hinten. Es muss doch erlaubt sein, dass ich mich darüber ärgere und sage: So ein Quatsch, das stimmt alles nicht. Und dann sagen alle: Mein Gott, ist doch nur ein Artikel, musst du doch mal aushalten, sei doch nicht so dünnhäutig. Alle anderen sind aber empört, wenn irgendetwas falsch gesagt wird.

Bist du ein misstrauischer Chef?
Ja, das stimmt schon eher. Jetzt nicht ein misstrauischer Chef im Sinne von Misstrauen meinen Mitarbeitern gegenüber, aber es ist schon so, dass ich Dinge selbst nachlesen will, selbst verstehen will, genau wissen will, was passiert mit den politischen Initiativen. Und ich sage nicht einfach: Macht mal, wird schon in Ordnung sein. Sondern ich guck schon hin.

Hast du einen Kontrollwahn?
Nein, Kontrollwahn nicht. Das ist es nicht. Sondern es ist so, dass ich schon immer genau verstehen will, in welche Richtung arbeiten wir zusammen als Team. Wer macht was? Rückläufe und Berichte will ich haben. Das ist kein Kontrollwahn.

Ich dachte, das könnte passen, weil deine Mitarbeiter wollten vorher wissen, welche Fragen ich stelle, welche Themen und so.
Das ist nun was anderes. Aber da muss man Verständnis haben. Ich habe so viele Anfragen, Interviews und Auftritte, und da gibt es viele, die sind nicht so professionell unterwegs. Sondern die machen einmal in ihrem Leben eine größere Veranstaltung mit dem Regierenden Bürgermeister oder dem Senator und lassen sich die tollsten Sachen einfallen. Und dann steht man auf einer Bühne und man wird mit einem Clown konfrontiert. Und dass da die Mitarbeiter sagen: Moment mal, was plant ihr denn? Wie wird denn das ablaufen? Steht der irgendwo, der Müller, oder sitzt der? Gibt es einen, der fragt, oder gibt es zehn, die fragen? Das ist ganz normal.

Okay.
Kein Misstrauen euch gegenüber!

Das hatten wir sonst noch nicht so erlebt.
Naja gut, das ist beim Regierenden immer ein bisschen anders.

Wem gibst du keine Interviews? "Tagesspiegel"

Auf ein Selfie mit dem Regierenden. Tilo Jung nach dem 90-minütigen Gespräch mit Michael Müller (SPD) für sein Videoformat „Jung & Naiv“.
Auf ein Selfie mit dem Regierenden. Tilo Jung nach dem 90-minütigen Gespräch mit Michael Müller (SPD) für sein Videoformat „Jung & Naiv“.

© Alexander Theiler

Was sind deine Lieblingsmedien?
Ich lese noch gerne richtig Zeitung.

Welche?
Unterschiedlich. Ich lese sehr gerne am Wochenende, wo ja ein bisschen mehr Zeit ist, die ZEIT oder die FAZ. Auch in der Woche eigentlich alles. Ich lese ja fünf, sechs Zeitungen am Tag, aber ich lese gerne noch die Papierzeitung in der Hand und eben nicht so gerne übers iPhone oder sonst wie.

Du hast keine Berliner Medien genannt.
Nee, die lese ich ja sowieso alle.

Alle?
Naja, wenn ich morgens die Tür aufmache, liegen vor der Türe sechs oder sieben Zeitungen. Und die muss ich auch im Laufe des Tages lesen. Da gibt es keinen Liebling, sondern die gehören ja mit dazu. Das ist für mich ein Arbeitsmittel.

Welche Blogs liest du? Junge Menschen interessiert ja, was du so online machst.
Ich bin mitunter im Netz unterwegs, gucke mir was an, gucke mir andere Facebook-Auftritte an, schaue Nachrichten, natürlich RBB, gucke mir an, was die anbieten, habe Tagesschau, Spiegel, glaube ich, N24, immer so präsent, wenn da die Nachrichten kommen. Aber das ist sehr unregelmäßig, wie ich Zeit habe, wie ich Lust habe.

Podcasts hörst du auch nicht?
Nö.

Gibt es Medien, die du nicht magst?
Nö. Also ich habe da... Warum fragst du?

Kann ja sein, dass du sagst, ich rede nicht gern mit dem Radio oder mit dem Sender oder mit der Zeitung.
Nö, das ist nicht so... Naja, gut bei den Zeitungen. Da geht es nicht um die Zeitung, sondern man hat in den vielen Jahren in der Politik ja Journalisten, die man auch lange kennt. Und dann gibt es ein paar Journalisten, da weiß man, man kann immer mal drei Sätze reden und der macht daraus eine ganz seriöse Geschichte. Und es gibt Journalisten, da weiß man: Oh vorsichtig, jedes Wort, jeder Halbsatz wird bewusst falsch verstanden. Aber das hat nichts mit einer Zeitung oder einem Sender zu tun. Radio zum Beispiel mache ich sehr gern.

Gibt es Medien, die du schonmal bestraft hast?
Bestraft? Wie könnte ich denn Medien bestrafen?

Indem du sagst, ich gebe euch keine Interviews mehr oder wir schalten da keine Anzeigen mehr.
Nein, keine Anzeigen mehr schalten ist Quatsch. Das wäre ja auch nicht klug. Sondern da guckt man ja immer genau, was und wen will man mit einer Anzeige erreichen. Und da muss man entscheiden, es ist mal die Zeitung und mal die Zeitung, weil die Leser lesen ja nicht alle Zeitungen. Die eher linken lesen etwas anderes als die eher rechten.

Wem gibst du keine Interviews?
Tagesspiegel.

Warum?
Weil da eben auch einiges gelaufen ist in der Vergangenheit – und damit meine ich nicht Artikel oder Kommentare zu meiner Politik. Das muss ein Politiker aushalten. Sondern es gab eben bis ins Private hinein Artikel, die, wie ich fand, inakzeptabel waren. Und dann muss man eben sagen, wenn das nicht aufhört und wenn da kein Gespräch gewollt ist, muss man eben auch sagen, da kann man nicht zusammenarbeiten.

Es ist ja kein zusammenarbeiten. Wir arbeiten ja auch nicht zusammen.
Naja, Interviews geben ist ja eine Form von Zusammenarbeit. Es geht um Vertrauen. Dass man der Meinung ist, man hat einen Partner, von dem man auch ausgehen kann, dass er einen auch seriös behandelt, und dass man die Chance hat, auch entsprechend zu kommunizieren. Und das ist ja ein Vertrauensverhältnis in dem Moment. Und nochmal: Ich bin seit 35 Jahren in der SPD. Ich bin auch alles nicht zufällig geworden. Ich kann schon umgehen mit Kritik. Aber die Grenze ist da erreicht, wo es persönlich/ privat wird. Meine Familie, meine privaten Lebensumstände haben nichts mit meiner Politik zu tun. Meine Kinder, meine Frau können sich nicht wehren gegen Artikel - so wie ich es kann. Und wenn so ein Bereich berührt ist, dann ist da auch eine Grenze erreicht.

Mit denen willst du jetzt nie wieder reden?
Naaa... Bin ich Rumpelstilzchen? Aber es hat ja keinen Sinn, wenn man Gespräche sucht und man merkt, man kommt nicht zusammen, dann muss man es auch irgendwann akzeptieren. Und ich habe auch nicht den Eindruck, dass der Tagesspiegel verzweifelt ist.

Kann ja sein, dass es nur so ein Wahlding ist. Dass du nach der Wahl wieder ganz normal mit allen...
Gucken wir doch mal.

Tilo Jung

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