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Berlin: Michigansee statt Wannsee

Der Pulitzer-Preisträger Jeffrey Eugenides verlässt Berlin. Und nimmt manche Idee für sein neues Buch mit

Seine Berliner Freunde wussten schon länger, dass er nicht ewig hier bleiben würde. Jahr für Jahr kündigte er an, dass er zurückgehen wolle. Weg aus Berlin, heim in die USA. Dann blieb er doch, fünf Jahre lang. Diesmal belässt er es nicht bei der Ankündigung. Jeffrey Eugenides, weltweit gefeierter Schriftsteller, Träger des PulitzerPreises und berühmtester in Berlin lebender Literat, kehrt Deutschland den Rücken. In diesen Tagen packen Eugenides, seine Frau Karen Yamauchi und die Tochter Georgia (5) in ihrer Schöneberger Wohnung die Koffer, im Juli werden sie nach Chicago ziehen. Das sagte Ursula Steffens von Eugenides’ Verlag Rowohlt dem Tagesspiegel.

In seinem Buch „Middlesex“, für das er den Pulitzer-Preis erhielt, hat Jeffrey Eugenides seine vorübergehende Heimat Berlin literarisch verewigt. Seine Hauptfigur, der Hermaphrodit Cal, arbeitet hier als amerikanischer Kulturattaché. Er spaziert durch den Viktoriapark und geht zu Ausstellungseröffnungen in die Nationalgalerie. Er trinkt seinen Kaffee im „Einstein“ und führt seine Freundin in Kreuzberger Restaurants aus. Auch die Szenen, die nicht in Berlin spielen, wurden von der Stadt inspiriert, verriet Eugenides bei einer Lesung in der „American Academy“ – deren Stipendiat er einst war: „Als ich Middlesex schrieb, war der Wannsee mein Atlantischer Ozean, manchmal auch der Detroit River“, sagt er. Künftig muss der Lake Michigan als Inspiration für Szenen am Wasser reichen.

Dass Jeffrey Eugenides jetzt die Stadt seiner Inspiration verlässt, liegt allerdings nicht daran, dass er genug von ihr hätte. „Mir hat es hier immer gefallen“, sagte er kürzlich der englischsprachigen Stadtzeitschrift „Exberliner“. Er habe hier „einige der besten Jahre meines Lebens verbracht – und dass zu einer Zeit, als ich dachte, ich hätte die besten Jahre schon hinter mir“. Dass er geht, hat schlicht persönliche Gründe: Seine Tochter hat das Alter erreicht, in dem man in den USA eingeschult wird. Und Georgia soll nun einmal in der alten Heimat zur Schule gehen soll. Außerdem vermissen die drei ihre Familie, von der ein großer Teil in Chicago lebt.

Ein Abschied für immer wird es allerdings nicht, betont Verlagssprecherin Steffens. „Jeffrey Eugenides behält seine Wohnung in Schöneberg und wird sicher immer wieder zu Besuch kommen.“ Schon deswegen, weil in seinem nächsten Buch, an dem er derzeit schreibt, Berlin wieder eine Rolle spielen soll, wie aus seinem Umfeld zu hören ist.

Anregungen dafür hat der Autor in den vergangenen fünf Jahren zur Genüge gesammelt: So habe er vor, eines Tages mal die vollen Augenbrauen von Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm literarisch zu verewigen, sagte er dem „Exberliner“. Außerdem das Berliner Phänomen der „nichtprominenten Prominenten“ wie Udo Waltz oder René Koch.

Auch wenn er sich persönlich auf die Rückkehr freut – in politischer Hinsicht geht Eugenides mit gemischten Gefühlen aus Berlin weg. Er schämt sich wegen der Vorkommnisse im Irak, Amerikaner zu sein, sagte er kürzlich der „Zeit“. Seiner Tochter habe er erzählt, dass er Ende des Jahres den Demokraten John Kerry wählen werde, „weil ich von unserem amtierenden Präsidenten nichts halte“.

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