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Berlin: Mierendorffplatz: Im Paradies der "Pufferküsser"

Wer glaubt, in ein Modellbahngeschäft kämen vor allem Kinder oder Jugendliche mit leuchtenden Augen und ihren Eltern im Schlepptau, irrt sich gründlich. Hartmut Weidemann hat in seinem Geschäft "Modellbahnen am Mierendorffplatz" zumeist Erwachsene als Kunden, darunter viele Sammler.

Wer glaubt, in ein Modellbahngeschäft kämen vor allem Kinder oder Jugendliche mit leuchtenden Augen und ihren Eltern im Schlepptau, irrt sich gründlich. Hartmut Weidemann hat in seinem Geschäft "Modellbahnen am Mierendorffplatz" zumeist Erwachsene als Kunden, darunter viele Sammler. Manche der "Pufferküsser" und "Nietenzähler", wie sich Fans der großen und kleinen Eisenbahnen selbstironisch nennen, kaufen oft gleich für mehrere tausend Mark ein. Das Hobby sei "wie ein Virus", findet der Händler. Wenn es einen gepackt habe, komme man kaum noch davon los. Nur am Nachwuchs mangele es ein wenig. Die heutige Jugend beschäftige sich eben mehr mit Computern und elektronischen Spielekonsolen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Berliner Einzelhändlern sieht der 43-Jährige keinen Grund zur Klage: "Ich bin sehr zufrieden." Besonders jetzt, in der Vorweihnachtszeit, hat das Personal alle Hände voll zu tun. Weidemann beschäftigt drei Vollzeit- und drei Teilzeitkräfte sowie zwei Lehrlinge. Er selbst stammt aus Hannover, zog aber 1976 nach Berlin, um dem Wehrdienst zu entgehen. In das Modellbahngeschäft sei er 1984 "wie die Jungfrau zum Kinde" gekommen, sagt der gelernte Bankkaufmann. Nachdem er sein Abitur an einer Abendschule nachgeholt hatte, suchte er Arbeit und sah einen Zettel "Aushilfe gesucht" im Schaufenster.

Später wurde Weidemann angestellt; vor zehn Jahren übernahm er den Betrieb schließlich vom damals verschuldeten Inhaber. Wie gut das Geschäft mittlerweile läuft, zeigt der Umbau im vorigen Jahr, in den der Chef fast eine Viertelmillion Mark investierte. Doch nicht nur der Zufall brachte Weidemann zu seiner Tätigkeit: "Ich habe immer irgendwo eine Bahn stehen gehabt." Mal ließ er die Züge um einen Schreibtisch herum fahren, mal auch um sein Bett. Derzeit hat der verheiratete Vater von fünf Kindern keine Gleise in seiner Wohnung an der Wilmersdorfer Straße aufgebaut, weil dort die drei jüngsten Kinder herumtoben. Aber im Garten seines Ferienhauses im Harz liegen Gleise einer "LGB"-Modellbahn; eine 10 000 Mark teure Lok dieses besonders großen Bautyps ist auch das Schmuckstück seiner Sammlung. Darüber hinaus hat Weidemann bei der Harzer Schmalspurbahn einen Kursus absolviert und darf sich dort nun "Ehren-Lokführer" nennen.

Zeit für Treffen von Eisenbahn-Freunden hat der Händler zu seinem Bedauern fast nie. Aber wenn er einmal im Jahr Urlaub macht, verreist er bevorzugt mit der Bahn. Seinen Umsatz macht Weidemann nach wie vor im Laden und nicht über das Internet, in dem er lediglich eine Informationsseite unterhält. "Die Leute sollen herkommen." Auf Wunsch verschickt er zwar auch Waren, doch spielt der Versand nur eine Nebenrolle.

Geschäftlich findet Weidemann den Standort Mierendorffplatz "ideal", besonders wegen der guten Bus- und U-Bahnverbindungen und der "bezahlbaren Miete". Andererseits sei das Viertel "ein bisschen trübe und von der Tendenz her schmuddelig". Zum Ausgehen und Verweilen lade es kaum ein.

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