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Berlin: Mieter sah bei Räumung nur noch „rot“

Wegen Mordversuchs steht Spanier vor Gericht

Der graubärtige Angeklagte hob aufgeregt den Zeigefinger. „Einen alten Mann auf die Straße werfen, wie einen Müllhaufen? Wo ist die Gerechtigkeit?“, schimpfte er. 30 Jahre lang habe er pünktlich seine Miete gezahlt. Er habe zwar von der angekündigten Zwangsräumung gewusst, sie aber für einen „Bluff“ gehalten. „Ich sah nur rot, genau wie bei einem Stierkampf“, rief der wegen versuchten Mordes an einem Gerichtsvollzieher angeklagte Vicente G..

Der 67-jährige Spanier hatte am 25. Juli vorigen Jahres zum Messer gegriffen. Da stand Gerichtsvollzieher Andreas D. in Begleitung der Vermieterin, einem Schlosser und weiterer Zeugen vor seiner Wohnung in einem Moabiter Mehrfamilienhaus. „So einfach kriegt ihr mich hier nicht raus“, soll G. gerufen und unvermittelt auf den 34-jährigen D. eingestochen haben. Die Verletzungen an Leber und Lunge waren lebensgefährlich.

„Ich wollte den Mann doch nicht töten“, meinte der gelernte Fleischer, der in Haftkleidung vor Gericht saß. Er sagte auch, dass ihm die Sache leid tue. Gleich darauf aber bagatellisierte er: „Das war eine Körperverletzung.“ Er habe dem Gerichtsvollzieher „ein paar Kratzer“ verpassen wollen. Schuld seien die anderen: „Was hätte ich denn machen sollen?“

Hintergrund der Räumung waren jahrelange Streitigkeiten um Heizkosten. Zuletzt soll es um eine geforderte Nachzahlung von ursprünglich 192 Euro gegangen sein. Als es zur Räumungsklage kam, reagierte G. nicht und suchte auch keine Hilfe. Eine Gefahr aber war aus Sicht des Gerichtsvollziehers, der den Mieter bereits kannte, nicht erkennbar. Der Mieter sei mit einer Zeitung in der Hand die Treppe hochgekommen, erinnerte sich D. an die bisher einzige körperliche Attacke in seinem Berufsleben. Er habe G. freundlich angesprochen. „Da spürte ich schon einen Stoß, sah viel Blut.“ Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt. K.G.

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