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Energetische Sanierung eines Wohnhauses (Symbolbild)

© KARA - FOTOLIA

Mieterhöhungen in Berlin: Baugenossenschaft verdrängt Mieter

Drastische Mieterhöhung: In Mariendorf sorgt eine Genossenschaft mit zweifelhaften Sanierungen und üppigen Mietsteigerungen für Schrecken und Unmut.

Von Fatina Keilani

Sein Leben lang schon wohnt Stefan Schwanke in Genossenschaftswohnungen, 47 Jahre mittlerweile, er wurde hineingeboren. Das ist preisgünstig und vor allem sicher – eine solche Wohnung kann einem keiner mehr nehmen, dachte er, dachte auch seine Familie. Sein Wohnkomplex am Mariendorfer Damm wird energetisch saniert, alle Mieter haben Post bekommen, auch Schwanke.

Drastische Mieterhöhung

Eingebettet in verbrämende Sätze wie „wir möchten, dass Sie sich in Ihrer Wohnung wohlfühlen und noch lange als zufriedener Mieter bei uns wohnen werden“, kommt auf Seite sechs das dicke Ende: Statt wie bisher 427,82 Euro (ohne ca. 60 Euro Heizkosten) soll Schwanke künftig 886,24 Euro (inklusive Heizkosten) zahlen, fast das Doppelte.

Die Kaltmiete bleibt mit gut 293 Euro gleich, aber nun kommt ein „Modernisierungszuschlag“ drauf, der 379 Euro beträgt. „Energetische Sanierung ist mittlerweile der Verdrängungsmechanismus Nummer eins“, sagt Rechtsanwältin Franziska Dams, die einige der Mieter berät. Speziell ältere Menschen mit günstigen Mietverträgen treffe es dann.

Im Kapitalismus hat man das schon mal gehört, aber hier handelt es sich beim Vermieter um die Mariendorf-Lichtenrader Baugenossenschaft, die getragen wird von den Mietern. Die Sanierung sei vorher nicht mit ihnen offen beraten worden, sagen Mieter. Hätte man das vorher geahnt, hätten viele Mieter versucht klarzumachen, dass sie dagegen sind. Mittlerweile laufen die Baumaßnehmen.

Unterzeichne Schwanke eine Einverständniserklärung für die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel, falle die Miete günstiger aus, so die Genossenschaft in dem Brief – dann sind es 605,40 Euro.

Mieter haben kein Mitspracherecht

Diese sind entsetzt; die meisten trauten sich aber nicht zu protestieren, meint Schwanke. Aus dem Schreiben an ihn, das dem Tagesspiegel vorliegt, geht auch der Umfang der geplanten Arbeiten hervor – unter anderem Dachgeschossausbau, Einbau eines Fahrstuhls, Fassadendämmung, Entfernung der Gasthermen aus allen Wohnungen und Bau eines Blockheizkraftwerks. „Der Fahrstuhl ist nicht mal barrierefrei und völlig sinnlos“, meint Schwanke. „Aufzüge bringen über die Betriebskostenumlage eine besonders hohe Mietsteigerung“, sagt Dams.

Nachbar M. hat auch Post bekommen. „Ich habe auf eigene Kosten eine Gasetagenheizung, eine neue Balkontür und Isolierglasfenster eingebaut, alles mit schriftlicher Erlaubnis der Genossenschaft, und jetzt soll das alles herausgerissen werden“, sagt der 60-Jährige.

Die Genossenschaft teilt mit, dass die neuen Fenster energetisch besser seien - mit offenem Ausgang. „Eine Qualitätsverschlechterung muss er nicht dulden“, sagt Mietrechtlerin Dams. „Wenn der Wärmedurchgangskoeffizient und die Schallschutzklasse seiner Fenster besser ist, dann darf er sie behalten.“

Der Mieter hat kein Mitspracherecht bei den Investitionen, muss sie aber zum großen Teil bezahlen. Vermieter nutzen die Gesetzeslage für teure Sanierungen, auch wenn diese nicht immer sinnvoll sind, und verdienen dann prächtig an den Mietsteigerungen, die ihnen zugleich ermöglichen, die Mieter auszuwechseln.

Doch von der Genossenschaft hat niemand ein solches Gebaren erwartet. „Hier ist niemand im Mieterverein oder rechtsschutzversichert, das brauchten wir bisher nicht“, sagt Schwanke. „Ich bin aber jetzt eingetreten.“

Zu diesem Bericht liegt eine Richtigstellung vor.

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