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Migrantische Oberschicht: Erfolgreich unauffällig: Wo in Berlin Integration klappt

Uniabschluss, hohes Gehalt, gute Wohnviertel: Viele Migranten im Südwesten Berlins sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Das trifft sogar auf ein Wohngebiet im Problembezirk Neukölln zu.

Schlechte Integration, schlechte Bildung und hohe Arbeitslosigkeit bescheinigt die Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung Migranten, besonders den türkischstämmigen unter ihnen. Doch es gibt auch eine gute Nachricht aus der Humboldt-Universität: In einigen der besten Wohnlagen im Südwesten Berlins sind über ein Drittel aller Kinder unter 18 Jahren Migranten und ähnlich viele Eltern. Die Integration klappt dennoch lautlos. Dabei gilt für Stadtplaner: Ein Anteil von 30 Prozent oder mehr Kindern mit Migrationshintergrund ist sozialer Sprengstoff. In diesen Teilen Berlins nicht. Denn hier leben „bildungsnahe“ Migranten, die in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Ärzte und Rechtsanwälte zum Beispiel oder auch Diplomaten und Journalisten. Sie tragen dazu bei, dass Berlin deutschlandweit die höchste Quote von Migranten mit Hochschulabschluss hat – fast 40 Prozent.

„Der ganze Lebenslauf entscheidet sich in den ersten zehn Jahren“, sagt der Soziologe Hartmut Häußermann. Er hat an der Humboldt-Universität die Verteilung der Kinder unter 18 Jahren mit Migrationshintergrund über das Berliner Stadtgebiet untersucht und war verblüfft über deren hohen Anteil in einigen bevorzugten Wohnlagen. Deshalb unterscheidet er nun „bildungsnahe“ von „bildungsfernen“ Migranten. Bildung gilt als Eintrittskarte in den Arbeitsmarkt. Wo Bildung und Beschäftigung fehlen, kommt es zu Problemen. Wer dagegen eine Ausbildung hat und in Arbeit steht, ist integriert. Aber welches dieser zwei Schicksale einen Menschen trifft, das hat nichts mit dessen nationaler, ethnischer oder kultureller Herkunft zu tun, sondern mit Ehrgeiz und Bildungsorientierung.

Raed Saleh ist ein Beispiel dafür. Die Eltern des SPD-Politikers aus Spandau kamen als Gastarbeiter aus der Westbank nach Berlin und arbeiteten in einer Brotfabrik. Obwohl Raeds Lehrer ihm keine Empfehlung gab, schickte sein Vater ihn aufs Gymnasium – seine Noten waren gut. Raed Saleh machte Abitur, gründete eine Firma und ging in die Politik. Saleh ist integriert. Andererseits ist er eine Ausnahme: „Ich kehre dem Kiez nicht den Rücken“, sagt er. Sein Kiez „Spandauer Neustadt“ hat einen Migranten-Anteil von 56 Prozent. Der „soziale Status“ des Quartiers ist sehr niedrig: Viele Menschen leben von Sozialleistungen. Andere „Aufsteiger“ wie Saleh ziehen von dort weg. In den Süden des Bezirks etwa, ins „bessere“ Spandau, das bis nach Kladow reicht.

Auch dort gibt es Quartiere mit einem Migrantenkinder-Anteil von über 30 Prozent. Probleme gibt es deshalb nicht. Die Bewohner haben gute Arbeit und Einkommen und leisten sich die teureren Wohnungen oder Eigenheime. Sie sprechen gut Deutsch und legen Wert auf die Schulbildung ihrer Kinder. Das trifft auch auf ein Wohngebiet in Neukölln zu: Britz. Auch dieser Stadtteil ist von Eigenheimen geprägt. Er schließt südlich an soziale Brennpunkte an – ist aber auch weit genug von den sozialen und Schulproblemen entfernt. Ideal für „aufgestiegene Migranten“, wie Häußermann sagt.

Und warum zählt das Zentrum Berlins und Teile Steglitz-Zehlendorfs zu diesen Gebieten? „Dort wohnt die migrantische Oberschicht“, sagt er. Diplomaten, Unternehmer, Rechtsanwälte. Zu diesen „bildungsnahen Migranten“ zählen natürlich Zuzügler aus Mitteleuropa, die ganz selbstverständlich als integriert gelten. Auch wegen der guten Ausbildung.

Das war für die Migranten des „südöstlichen Mittelmeerraums“, wie SPD-Sozialpolitikerin Ülker Radziwill sagt, anders: „Zur Gastarbeiter-Historie gehört es, dass überwiegend ungebildete Menschen aus dieser Region hergeholt wurden“, sagt sie. Einigen von ihnen müsse man den Wert hiesiger Bildung erst vermitteln. Für die Mehrheit sei Berlin dennoch selbstverständlich die Heimat.

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