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Berlin: Milde Mischung

Im Prozess um den Tod von Jonny K. hat die Jugendgerichtshilfe Verwunderung verursacht. Ihr Strafvorschlag ist allerdings nicht bindend. Dafür könnte sich eine Panne aufs Urteil auswirken.

Berlin - Im Vorfeld des Urteils im Fall Jonny K. kam Ernüchterung auf. Milde Strafen wurden von der Jugendgerichtshilfe (JGH) für die drei Angeklagten, die noch nicht 21 Jahre alt sind, vorgeschlagen. Zuschauer kommentierten zischend: „Also zur Strafe nur ein Du-Du und ein bisschen in der Freizeit arbeiten?“ Der 20-jährige Jonny K. wurde grundlos attackiert. Die Gewalt kam wie aus dem Nichts und war tödlich. Im Prozess gegen die sechs mutmaßlichen Schläger geht es um Körperverletzung mit Todesfolge und Körperverletzung. Die JGH sprach sich gegen Haft für die Jüngeren aus.

Vertreter der Jugendgerichtshilfe sind in jedem Strafverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende gesetzlich zur Mithilfe verpflichtet. Die Helfer sollen – wenn möglich – vor der Verhandlung Gespräche mit den jungen Angeklagten führen, sie beraten und unterstützen. Der Kontakt ist für die Beschuldigten allerdings freiwillig. Vertreter der Jugendgerichtshilfe nehmen dann an den Verhandlungen teil. Zum Ende der Beweisaufnahme berichteten sie über die jungen Menschen. Sie schlagen vor, ob Heranwachsende noch nach dem milderen Jugendstrafrecht behandelt werden sollten, sie äußern ihre Meinung zu Sanktionen. Die Vorschläge aber sind nicht bindend.

Für den 20-jährigen Onur U., der als ein Haupttäter gilt, sowie für Osman A., 19, und Memet E., 20, sahen die Sozialarbeiterinnen „Reifeverzögerungen“. Es sei zu berücksichtigen, dass sie noch bei ihren Eltern leben und auch in der beruflichen Orientierung noch wenig passiert sei. Sie seien eher wie 17-Jährige zu behandeln. „Wir sehen keine permanente Gewaltbereitschaft“, hieß es für Osman A. und auch Memet E., die wie alle Angeklagten eine Beteiligung an der Prügelei zugegeben hatten.

Die Jugendgerichtshilfe betrachtet es aus sozialpädagogischer Sicht. Schließlich steht im Jugendstrafverfahren der Erziehungsgedanke im Vordergrund. Arrest von vier Wochen gegen Osman A., Verwarnung und Arbeitsleistungen gegen ihn und Memet E. waren die Vorschläge. Von Gruppendynamik war die Rede, Osman A. müsse lernen, gegen den Strom zu schwimmen“. Bei ihm und E. seien aber keine „schädlichen Neigungen“ zu erkennen. Anders bei Onur U., der vorbestraft ist. Doch auch der Ex-Amateurboxer solle nicht weiter inhaftiert bleiben. „Die Haft hat ihn sehr beeindruckt“, sagte eine Sozialarbeiterin und schlug Bewährung vor.

Der 20-jährige Jonny K. wollte einem Freund helfen und hatte beschwichtigend die Arme gehoben, als er in der Nacht zum 14. Oktober 2012 attackiert wurde. Auslöser des Geschehens war Onur U., als er einem betrunkenen Begleiter von Jonny K. den Stuhl wegzog. „Ich war angetrunken und habe mir nichts dabei gedacht“, sagte U. vor Gericht. Jonny K. wurde geschlagen, getreten und stürzte. Er starb einen Tag später an Hirnblutungen. Die sechs Angeklagten wiesen jede Schuld am Tod von Jonny K. von sich.

Zehn Tage verhandelte das Landgericht bislang. Aber viele Fragen sind offen. Ganz oben steht: Warum wurden die sechs jungen Männer, von denen fünf bis dahin noch nie als Schläger aufgefallen waren, so aggressiv? Ein Psychiater hatte erklärt, vermutlich hätten sich „überschüssige Kraft und überschüssiges Adrenalin kurzfristig entladen“. Die Jugendgerichtshilfe befasste sich mit diesem Problem nicht. Sie ist für Fragen um eine mögliche Entwicklung der noch nicht erwachsenen Angeklagten zuständig.

Mit dem Beginn der Plädoyers wird für den 12. August gerechnet. Was spricht für, was gegen die Angeklagten? Günstig auf das Strafmaß könnte sich dann auswirken, dass das Verfahren Anfang Juni wegen Befangenheit eines Schöffen von vorn beginnen musste.

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