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Berlin: "Millennium Products" zum Housewarming: Mit dem Kurbel-Radio ins neue Jahrtausend

Diese positive Folge des Regierungsumzugs ist lange unterschätzt worden: die riesige Bereicherung des kulturellen Lebens, die die Präsenz von Botschaften mit sich bringt. Man bekommt den Eindruck, als herrsche, mindestens in der Einstandsphase, ein unausgesprochener Wettbewerb.

Diese positive Folge des Regierungsumzugs ist lange unterschätzt worden: die riesige Bereicherung des kulturellen Lebens, die die Präsenz von Botschaften mit sich bringt. Man bekommt den Eindruck, als herrsche, mindestens in der Einstandsphase, ein unausgesprochener Wettbewerb.

Der bezieht sich einerseits auf die Gebäude. Vor drei Wochen hat der britische Botschafter Sir Paul Lever die schöne, eigenwillige Kanzlei neben dem Adlon bezogen, schon gab er bei der Housewarming Party den Spitznamen bekannt, mit dem die Taxifahrer das Gebäude bedacht hätten: das bunte Haus. Das mag ein bisschen schwedisch anmuten (Villa Kunterbunt), aber Architekt Michael Wilford nahm es durchaus als Ehrentitel, weil er ein optimistischer Mensch ist, der vor allem in die Zukunft weisen will. Zum Hausaufwärmen gibt es eine Ausstellung namens "Millennium Products" zu sehen. Sie zeigt neue Produkte, mit denen die Briten den Herausforderungen der Jahrtausendwende begegnen. Da Humor und Selbstironie zu den jahrhundertealten Markenzeichen nichtmaterieller britischer Exporte zählen, war teilweise nicht völlig klar, wie ernst die Ausstellung gemeint war. Das lag aber, wie Michael Wilford beobachtete, vor allem an der großen Leichtigkeit der Präsentation.

Künstliche Herzen und Kniegelenke bieten Chirurgen Gelegenheit, Schlüssellochoperationen an naturgetreuen Objekten zu üben. Besonderes Publikumsinteresse fanden die Kuhschläppchen, die an den Hufen verletzte Tiere vor Infektionen schützen. Die sind bereits ein großer Hit, ebenso die bunten Klammern, die sich in einem bestimmten Winkel auf Radmuttern klemmen lassen. Verschiebt sich der Winkel, ist klar, dass die Mutter locker ist und also Unheil droht. Ein solcher Hang zum Praktischen hat das Image der Briten eigentlich nie so deutlich geprägt; schon eher der Sinn für Sex und Sinnlichkeit. Die Engländer legen in der Tat größten Wert auf die Feststellung, dass sie es waren, die das Impotenz besiegende Mittel Viagra erfunden haben und nicht etwa die prüden Amerikaner. Und es gibt noch mehr erstaunliche Erfindungen zu sehen, mit deren Hilfe die Briten der Menschheit das Leben erleichtern. Das handgekurbelte Radio löst Batterienkummer in Luft auf, könnte sich allenfalls ein wenig zu betriebsaufwendig erweisen, wenn es gilt, die Stunden nach dem Genuss von Viagra musikalisch zu begleiten. Elektrisches Papier lässt Plakate aufleuchten, die Zahnbürste mit Loch entsorgt Speisereste wie von selbst, und ein rotweißblaues Objekt dient wahlweise als Lampe, Tischfundament oder Garderobe.

Bis zum 13. Dezember kann das staunende Publikum die Ausstellung jeweils montags bis freitags von 13 bis 17 Uhr in der Botschaft besichtigen. Diplomatie wird eben nicht mehr nur auf dem danach benannten Parkett gemacht. Das macht nicht nur die Häuser, sondern die ganze Stadt täglich etwas bunter.

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