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Millionenkürzungen: Kulturkampf um Musik- und Volkshochschulen

Bürgerliche Bezirke befürchten radikale Einschnitte durch Umverteilung. Steglitz-Zehlendorf ist besonders betroffen, Neukölln könnte gewinnen.

Den bürgerlich geprägten Bezirken wie Steglitz-Zehlendorf und Charlottenburg- Wilmersdorf, aber auch sozial stärker gemischten Bezirken wie Pankow oder Mitte drohen ab kommendem Jahr Millionenkürzungen bei Kultur-, Bildungs- und Sportangeboten, die von den Betroffenen als verheerend eingeschätzt werden. Den größten Anteil der Umverteilungslast bei der kommunalen Kulturarbeit sollen die Musikschulen der beiden erstgenannten Bezirke tragen. Sozial schwierigere Bezirke wie Neukölln können hingegen mit zusätzlichen Millionen rechnen.

Das geht aus den ersten Detailrechnungen zum neuen Wertausgleichssystem zwischen den Bezirken hervor, die dem Tagesspiegel vorliegen. Das Modell hatte der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses kurz vor Ostern beschlossen, das Thema aber zur weiteren Behandlung an den Unterausschuss Bezirke verwiesen. Inzwischen dämmert es den Bezirken, welche Folgen die Neuberechnung der Zuweisungen für ihre Bildungs-, Kultur- oder Sportarbeit praktisch haben kann. So kursiert in den Rathäusern eine Berechnung der Senatsverwaltung für Finanzen vom 2. April, nach der ein Hauptleidtragender der Umverteilung Steglitz-Zehlendorf ist. Der Bezirk muss demzufolge alleine 2010 auf mehr als 4,2 Millionen Euro für die genannten Zwecke verzichten. Neukölln hingegen bekäme knapp 6,2 Millionen Euro zusätzlich für Kultur, Bildung, Sportangebote und Ähnliches.

Besonders betroffen wäre in Steglitz-Zehlendorf nach den Berechnungen der Finanzverwaltung die mehr als 5000 Schüler zählende Musikschule (minus 2,14 Millionen Euro) sowie Sportanlagen, Bibliotheken und Volkshochschulen. „Konkret würde dieser Wertausgleichsverlust eine Angebotsreduzierung von ca. 45 Prozent in jedem Bereich zur Folge haben“, schreibt die Steglitz-Zehlendorfer Stadträtin für Bildung und Kultur, Cerstin Richter-Kotowski (CDU), in einem internen Vermerk für den bezirklichen Bildungs- und Kulturausschuss.

Besonders groß ist der Ärger in Steglitz-Zehlendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf darüber, dass die beiden Bezirke die Hauptlast bei den Kultureinsparungen tragen sollen, indem die Gelder für die Musikschulen radikal gekürzt werden. „Das wäre das Ende der größten Musikschule Deutschlands“, heißt es in Steglitz-Zehlendorf. Aus Sicht des SPD-Haushaltspolitikers im Abgeordnetenhaus, Karl-Heinz Nolte, ist es für solche Aussagen noch zu früh. Das politische Ziel von SPD und Linken sei, dass bedürftige Bezirke mehr Geld bekommen. Das dürfe aber nicht dazu führen, dass sozial besser gestellte Bezirke so viel abgeben müssten, dass sie die eigenen Angebote verlieren. Nun müssten Land und Bezirke aushandeln, wo es Sparpotenzial gebe, ohne dass bestehende Strukturen wie die Musik- oder Volkshochschulen zerstört würden.

Dahinter steht der Grundkonflikt, ob sozial schwierige Bezirke mehr Geld bekommen, indem der Bezirksanteil am Landeshaushalt erhöht wird – oder ob das Geld durch Umverteilung zwischen den Bezirken zusammenkommt, wie es das Land will. Kürzlich hatten alle zwölf Bezirksbürgermeister vom Senat gefordert, die Zuschüsse im Doppelhaushalt 2010/11 um 204 Millionen Euro jährlich aufzustocken. Solange unklar ist, wie das Ringen um das knappe Geld ausgeht, fürchten die Geberbezirke das Schlimmste. Auch ist in Steglitz-Zehlendorf zu hören, dass Empfängerbezirke wie Neukölln überhaupt nicht in der Lage seien, zusätzliche Millionen in Bildung oder Kultur zu stecken, weil die Infrastruktur fehle. Das weist der Neuköllner Bildungsstadtrat Wolfgang Schimmang (SPD) als „Unsinn“ zurück. „Wir könnten sofort mehr Bücher für unsere Bibliotheken anschaffen, wir haben Hunderte auf den Wartelisten für die Musikschule, es gibt großen Bedarf bei den Sportvereinen und vieles mehr.“ Angesichts der massiven sozialen Probleme in Neukölln freue er sich über jede Möglichkeit, „mehr Kinder von der Straße zu holen“. Mit Blick auf die Ängste in Steglitz-Zehlendorf sagt er: „Bei uns brennt’s heftiger.“

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