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Umfaller – oder nicht? Ministerpräsident Dietmar Woidke sprach am Freitag nicht nur über die neuen Asylgesetze, sondern auch über das Verhältnis seines Landes Brandenburg zum Nachbarn Berlin.

© dpa

Ministerpräsident Dietmar Woidke: Verschärfung des Asylrechts ohne Brandenburgs Stimme

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke hat das Asyl-Paket ausgehandelt, im Bundesrat zustimmen aber kann er nicht, des Koalitionspartners wegen. Seine Reaktion verrät so einiges über ihn.

Am Tag seiner Enthaltung sehen ihn manche als Umfaller. Er selbst aber ist schon am Morgen blendend drauf, als klar ist, was passieren wird. Es ist acht Uhr, sein erster Termin, im Ludwig-Erhard-Haus, Fasanenstraße. Da hält Dietmar Woidke, Brandenburgs Ministerpräsident, einen Vortrag beim wirtschaftpolitischen Frühstück der Berliner Industrie- und Handelskammer. Er spricht über Fachkräfte, Flüchtlinge, klar, den BER, die Energiepolitik, sein Lieblingsthema. Er scherzt, parliert mit IHK-Präsident Eric Schweitzer. Und er trifft, so heißt es danach, mit seiner bodenständigen, direkten Art den Nerv, wenn auch nicht mit jeder Position.

Ob es in 25 Jahren ein gemeinsames Land Berlin-Brandenburg geben wird? Da winkt Woidke ab: „Eine Fusion ist auch mittelfristig vollkommen unrealistisch.“ Es sei unmöglich, ein „Ja“ der Brandenburger bei einer Volksabstimmung zu erhalten. Zum einen, weil die Hauptstadt Berlin noch rasanter gewachsen sei als vor einigen Jahren erwartet.

Verschärfung des Asylrechts

Und der Brandenburger habe inzwischen „Demokratie gelernt, bis ins kleinste Gemeindeparlament die Erfahrung macht, dass die Mehrheit entscheidet“. Und zum anderen sei der „erhobene Zeigefinger“ aus Berlin, der vor der gescheiterten Fusion 1996 mit dem Landowsky-Spruch von den „sozialistischen Wärmestuben“ sinnbildlich wurde, nicht weg. Das habe sich in der Energiedebatte gezeigt, „in der das Abgeordnetenhaus mal einstimmig beschließt“, wie Brandenburg Energiepolitik zu machen habe, mit „rudimentärer Kenntnis“, dass an der Kohle eine Industrie, 7000 Arbeitsplätze, eine ganze Region hänge. Hier wird er glasklar.

Und gleich danach eilt Woidke weiter, rüber in den Bundesrat, zur entscheidenden Abstimmung. Die Länderkammer beschließt wegen der Flüchtlingskrise ein Gesetzespaket, darunter auch die Verschärfung des Asylrechts. Und Brandenburgs Vertreter enthalten sich, weil in der rot-roten Koalition die Linken ein Veto eingelegt hatten. Auch Woidke selbst enthält sich.

Der bodenständige, nüchterne Pragmatiker

Obwohl er als damaliger Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz den Kompromiss zwischen Ländern und Bund maßgeblich mit ausgehandelt hat. Obwohl er einmal Innenminister war, eine CDU-nahe Linie vertrat. Im Tagesspiegel-Interview forderte er schon vor Wochen Asylzentren in Nordafrika. Eine Position, die in seiner Partei Stirnrunzeln, bei den Linken Entrüstung auslöste. Beim IHK-Frühstück wird Woidke direkt gefragt. „Wie sehr schmerzt es Sie, wenn Sie sich nun enthalten müssen, wo Sie doch alles mit ausgehandelt haben?“

Die gelassene Antwort, die er gibt, sagt einiges über seinen Politikstil. Es gebe nun einmal in allen Koalitionen die Klausel, dass bei unterschiedlichen Positionen beider Seiten eine Enthaltung im Bundesrat zwingend sei. Thüringen, Bremen, Niedersachsen würden sich ebenfalls enthalten. Und er habe auch „Verständnis, dass die Linken ein Problem damit haben, Albanien, Kosovo und Montenegro zu sicheren Herkunftsländern zu erklären“, in die man die Leute zurückschicke.

Es seien ja tatsächlich keine mit der Bundesrepublik vergleichbaren Staaten, in Bezug auf Freiheit, auf die Diskriminierung etwa von Sinti und Roma. „Es geht also um eine schwierige Abwägung.“ Dennoch sei das Gesetz nötig, um denen die Hilfe zu geben, „die sie dringender brauchen.“ In der Sache bleibt Woidke dabei: Er sei froh, dass das Paket beschlossen wird, es sei „ein erster Schritt“. Hauptsache, so seine Linie, das Ganze komme durch. Von Brandenburgs Stimmen hängt es nun einmal nicht ab. „Man muss das Ganze also nicht dramatisieren.“ Da ist er ganz der bodenständige, nüchterne Pragmatiker.

Dazu passt, wie er sich selbst sieht

Von reiner Symbolpolitik hält Brandenburgs Regierungschef, der mal Agraringenieur war, seit 1993 im Landtag ist, Agrarminister, Fraktionschef, Innenminister war, ehe er 2013 den erkrankten Matthias Platzeck beerbte, herzlich wenig. Natürlich hat er trotzdem versucht, die Linken zu überzeugen, mehrfach.

Er hat sich mit Parteichef und Finanzminister Christian Görke beim Rotwein getroffen, ausgelotet, ob doch noch was ginge. Und er hat die Linken soweit gebracht, dass Brandenburg allen anderen vier Gesetzen des Bund-Länder-Paketes zustimmt. Dem Haushaltsgesetz, in dem es um die Bundesbeteiligung an den Flüchtlingskosten geht, in der Frage der unbegleiteten Minderjährigen, ja selbst bei der „Verordnung“ zum Asylgesetz, die das ganze Verfahren regelt, das Brandenburgs rot-rote Regierung umsetzen wird.

Dazu passt, wie er sich selbst sieht. Als die IHK-Veranstaltung fast zu Ende ist, wird Woidke gefragt, was einen „Landesvater“ in Brandenburg ausmachen müsse. Er sei ja nach Manfred Stolpe und Platzeck erst der dritte. „Der Brandenburger muss merken, dass er so ist wie die Brandenburger selbst“, sagt er.

Sozialer Wohnungsbau sei nötig

Sie erwarten Zuverlässigkeit, Disziplin, Ausdauer. Sie erwarten nicht, dass man sich jeden Tag auf den Marktplatz stellt und Ankündigungen macht, die man dann doch nicht einhalten kann. Das „Lautsprecherische“, das man in Berlin gewohnt sei, passe nicht zu Brandenburg.

Und mehr als die nun beschlossenen Gesetze bewegt ihn längst, was nun folgen muss, wie es mit den vielen Flüchtlingen weiter geht. Bislang sieht es in Brandenburg noch vergleichsweise gut aus. Chaotische Verhältnisse wie vor dem Lageso in Berlin gibt es nicht, zumindest bislang. Aber auch wir kommen langsam an Grenzen, sagt er, warnt vor Illusionen. Um die Integration der Flüchtlinge zu bewältigen, dürfe man „nicht naiv, nicht blauäugig“ sei.

Es seien Beschäftigungsprogramme nötig, sozialer Wohnungsbau. Und zwar auch für die deutsche Bevölkerung, für sozial schwache Schichten. Er spricht davon, dass Brandenburg jetzt einen Nachtragshaushalt auflegen wird, um zusätzliche Kita-Erzieher, zusätzliche Lehrer, auch Richter und Polizisten einzustellen. Und Brandenburgs Regierungschef illustriert das mit einem plastischen Bild. „Auf einmal gehen Ali und Mohamed mit den Kevins und Chantals in die Kita, in die Schule. Und natürlich fragen dann Eltern: Können sich die Erzieher noch ausreichend um unsere Kinder kümmern? Man kann diese Sorgen nur nehmen, wenn man zusätzliches Personal zu Verfügung stellt.“

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