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Berlin: Miss World – im Dienste der Türkei

Jeden Montag im Tagesspiegel: ein Rückblick auf die in Berlin erscheinenden türkischen Tageszeitungen. Die drei größten türkischen Tageszeitungen in Deutschland strotzten nur so vor Stolz auf ihre Miss World Azra Akin.

Jeden Montag im Tagesspiegel: ein Rückblick auf die in Berlin erscheinenden türkischen Tageszeitungen.

Die drei größten türkischen Tageszeitungen in Deutschland strotzten nur so vor Stolz auf ihre Miss World Azra Akin. „Made in Turkey“, titelte die Hürriyet am Sonntag zu einem Foto der frisch gekrönten Schönheitskönigin. Am nächsten Tag schrieb die Zeitung auf ihrer Titelseite, die schönste Frau der Welt sei „Moslem, modern, tolerant und laizistisch“. Im Innenteil dieser Ausgabe widmete ihr die Zeitung fast eine ganze Seite. Zu der Überschrift „Azras Krone ist eine Botschaft an die EU“ zeigte die Zeitung ein Bild der Schönheit im knappen Bikini.

Die Tageszeitung Milliyet zitierte sie am Montag ganz wie eine Repräsentantin eines Landes: „Ich stehe im Dienste meines Landes.“ Obwohl eine Miss World keine politischen Aussagen machen darf, sagte diese: „Die Türkei sollte in die EU aufgenommen werden.“ Und selbst die sonst so fromme Tageszeitung Türkiye konnte ihren Stolz nicht verbergen. Auf der Titelseite ihrer Fernsehbeilage am Sonnabend zeigte sie auf der ganzen DIN-A3-Seite „Königin Azra“ mit ihrer kleinen türkischen Fahne.

Wie hätten die Schlagzeilen in deutschen Zeitungen ausgesehen, wenn Miss Germany gewonnen hätte? Ähnlich, wie die Überschrift in der Milliyet am Mittwoch? „Alles was ich bin, habe ich Atatürk zu verdanken.“ Dieses Zitat war die Überschrift zu einem Interview mit Azra Akin, aus dem hervor ging, dass sie in Holland geboren ist und dort lebt. Begeistert von ihr resümierte die Interviewerin: „Obwohl sie in Holland geboren ist, ist sie eine hundertprozentige Türkin.“ Was für ein Glück, dass sie noch ihren türkischen Pass hat. Sonst wäre die türkische Miss vielleicht eine holländische Schönheitskönigin geworden. Die darf nun dank ihres Titels das Land ihrer Vorfahren kennen lernen. „Am Wochenende werde ich erstmals nach Ankara reisen“, hat sie der Zeitung gesagt.

Nirgendwo sonst kann der Zeitungsleser so tief in die türkische Seele blicken wie bei der Lektüre türkischer Blätter. Vieles, was er darin entdeckt, kennt er schon aus deutschsprachigen Blättern. Der eine oder andere Bericht lässt ihn dennoch ziemlich verdutzt zurück. „Ein Türke in der deutschen Einheit“, war zum Beispiel eine Überschrift in der Türkiye am Dienstag. Darin berichtete ein Korrespondent der islamischen Nachrichtenagentur IHA über den 20-jährigen Gefreiten Gökhan Kormaz, der in der Bundeswehrtruppe in Afghanistan dient. In den Unterzeilen hieß es, der junge Mann, der in Deutschland geboren sei, stamme ursprünglich aus der türkischen Stadt Yozgat. „Er brennt vor Sehnsucht nach seiner Heimat“, hieß es im Text. Seit acht Jahren sei er nicht in der Türkei gewesen, und es ginge gegen seinen Stolz, als Türke unter deutscher Fahne dienen zu müssen. Erst zum Schluss wird klar, dass sich der Soldat in seiner Truppe aufgrund seiner Abstammung diskriminiert fühlt.

Suzan Gülfirat

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