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Berlin: Missbraucht von der eigenen Mutter

Geschwister brachten 51-Jährige vor Gericht. Sie bekam eine Bewährungsstrafe

Berlin - Nachts wacht sie oft auf. Das Gesicht tränennass. „Ich habe dann das Gefühl, ich bin sieben, acht Jahre alt, und alles passiert wieder.“ Kein Tag, an dem sie unbeschwert leben kann. „Ich habe das Vertrauen zu Menschen verloren.“ Ekel, Angst, Scham. Sie und ihr Bruder brauchten Jahre, um das Gesetz des Schweigens in der Familie zu brechen. Beide wurden sexuell missbraucht. Ihre eigene Mutter ließ es zu, war beteiligt.

Im Gerichtssaal saßen die Geschwister, 20 und 23 Jahre alt, gestern als Nebenkläger ihrer 51-jährigen Mutter gegenüber. Sie haben Gabriele Z. und deren früheren Lebensgefährten angezeigt. Das war im Sommer 2008, als Anja K. (Name geändert) gerade das Abitur bestanden hatte. „Ich hatte unheimliche Schuldgefühle“, sagte die Tochter. Sie machte sich Vorwürfe: „Wie kannst du das der eigenen Mutter antun.“ Doch Gabriele Z. hatte zugesehen, wenn sich ihr damaliger Freund in ihrer Marzahner Wohnung an dem Mädchen verging. „Ist doch schön“, meinte sie einmal, als ihre Tochter seine Berührungen nicht wollte.

Viel Mut brachten Anja K. und ihr Bruder als Zeugen auf. Schonungslos und unter Tränen sprachen sie über ihr Schicksal. „Ich habe Essstörungen entwickelt“, sagte die junge Frau. Sie verletzte sich selbst. „Schmerz ist das Einzige, was noch bei mir ankommt, ich muss mich schneiden.“ Sie kann keine Liebesbeziehung aufbauen. „Das schönste Gefühl der Welt ist für mich das Schlimmste.“ Schon bei einem Kuss bekomme sie einen Ekel. „Ich schäme mich unheimlich für das, was passiert ist, mache mir Vorwürfe, dass ich mich nicht mehr gewehrt habe.“ Seit drei Jahren ist sie in Therapie. „Die Vielzahl von Symptomen trat auf, als mir bewusst wurde, was passiert ist.“

Ostern 2008 vertraute sie sich ihrem Bruder an. Sie war fassungslos, als auch er von sexuellen Übergriffen sprach. Peter K. (Name geändert) galt als schwarzes Schaf in der Familie. Mit zehn Jahren trank er Alkohol bis zum Umfallen. „Es war ein Aufschrei“, sagte er nun. Er hatte sich bis ins Koma gesoffen und zu kiffen begonnen. „Ich wollte einfach nicht mehr.“ Er dachte an Selbstmord. „Ich hatte mir schon ein Haus ausgesucht.“

Im Prozess ging es um fünf Fälle des sexuellen Missbrauchs von 1992 bis 2002. Es sei ein Minimum dessen, was tatsächlich geschah, hieß es am Rande der Verhandlung. Als sich die Kinder zur Anzeige entschlossen, war zudem ein Teil der Vorwürfe bereits verjährt. Die Pflegehelferin Z. legte schon im Ermittlungsverfahren ein Geständnis ab. „Ich möchte mich bei meinen Kindern entschuldigen“, sagte sie damals. Vor Gericht ließ sie ihren Anwalt sprechen.

Die Tochter hoffte auf „ein Urteil, das nicht Freispruch lautet“. Der damalige Lebensgefährte der Mutter war der Haupttäter. Der Mann aber starb im März. Beide tranken viel. Gabriele Z. sei damals alkoholabhängig gewesen, hieß es im Urteil. Das sei wie ihr Geständnis zu berücksichtigen. Die Frau bekam ein Jahr Haft auf Bewährung. Zudem wurde ihr untersagt, Kontakt zu ihrer Tochter aufzunehmen.

Erst am Mittwoch hatte das Landgericht einen 61-Jährigen wegen hundertfachen Missbrauchs seiner Tochter zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Opferhelfer reagierten entsetzt auf diese Milde.

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