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Berlin: Mit Baby und Flagge ins Berliner Wahlbüro

Schon 4000 Iraker ließen sich zur Wahl in ihrer Heimat registrieren – gestern war der Andrang am größten

Helge Schmidt nimmt noch einen Schluck vom Sonntagmorgen-Kaffee, dann blickt er aus dem Küchenfenster seiner Wohnung und schaut sich unten auf der Weißenseer Albertinenstraße den demokratischen Aufbruch im Irak an. Seit acht Uhr morgens warten vor Schmidts Haus hunderte in Deutschland lebende Iraker geduldig in Viererreihen und einer gut 50 Meter langen Schlange, damit sie am kommenden Wochenende an den ersten freien Wahlen in ihrer Heimat nach Saddam Husseins Sturz teilnehmen können. Dafür müssen sie sich bis spätestens Dienstag als Wähler registrieren lassen – und das ist nur an vier Orten in Deutschland möglich: in München, Mannheim, Köln sowie in einem alten, grau verputzten Polizei-Verwaltungsbau an der Albertinenstraße 6.

Auf dem Bürgersteig hier schwenkt ein junger irakischer Kurde statt der rot-weiß-schwarzen Staatsflagge des Irak die Fahne seiner Volksgruppe, und die ist grün-weiß-rot. Der Stoff flattert im beißend kalten Wind. Haciachmed Shirzad hält das so mindestens eine Stunde lang durch, „aus Begeisterung“, wie er sagt. Denn: „Der Irak ist nun endlich ein freies Land, und wir Kurden dürfen nach langer Unterdrückung erstmals wählen.“ Haciachmed macht mit, weil er vor ein paar Tagen 18 Jahre alt wurde. Also reiste er am Sonntag aus Lübeck nach Berlin, in einem Tross von rund 500 irakischen Kurden, die eigens acht Reisebusse gechartert hatten.

Mit Kind und Kegel strömten sie zum Registraturbüro, das Helfer der „Internationalen Organisation für Migration“ (IOM) der Vereinten Nationen hier seit Montag eingerichtet haben. Gut eine Stunde standen sie in der Schlange, schleppten Picknickkörbe und Babys auf den Rücken mit zu diesem Familienausflug zur Stärkung der jungen irakischen Demokratie. Mit Bombenlegern wollten die meisten nichts zu tun haben. „Die müssen weg!“, erklären die Sprecher einer Gruppe arabischer Iraker aus Hannover. „Zuhause soll es Frieden geben. Wir wollen ohne Angst in die Heimat fahren.“

Gleichwohl waren sie gestern in Weißensee gut bewacht. Vierzig Polizisten hatten die Straße gesperrt und ließen nichts aus den Augen. Beim Einlass zur Registratur wurde jeder streng kontrolliert wie am Flughafen. Rund tausend Iraker passierten gestern diese Sicherheitsschleuse, insgesamt ließen sich seit vergangenem Montag in Berlin etwa 4000 Menschen erfassen. Und alle werden am kommenden Freitag, Sonnabend oder Sonntag wiederkommen, um am gleichen Ort ihre Stimme abzugeben.

Die Polizei vom zuständigen Abschnitt bereitet sich schon einmal „auf einen zweiten Großeinsatz“ vor. Und erwartet wieder einen „friedlichen Aufmarsch engagierter Demokraten“. Ein Stimmungsbild, das im Fernsehen angesichts der vielen Gewaltmeldungen aus dem Irak, , wie ein Beamter meint, „leider zu schnell untergeht“.

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