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Berlin: Mit Blick über die Kirchenmauer

Ulrike Trautwein wird Sonnabend als Generalsuperintendentin eingeführt Die Pfarrerin ist für die 700 000 evangelischen Christen in Berlin zuständig.

Ulrike Trautwein kann sich gut an Oskar Schindler erinnern. Wenn er zu ihren Eltern zu Besuch kam, war er bepackt mit Geschenken für die Kinder, mit Pralinen für die Frau des Hauses und teurem Wein für den Hausherrn. „Schindler war unglaublich großzügig, obwohl er doch selbst nichts hatte“, sagt Ulrike Trautwein, heute 52 Jahre alt. Ihr Vater, der Frankfurter Theologe und Kirchenliederkomponist Dieter Trautwein, war ein Freund Schindlers und versuchte, dem Judenretter zu helfen, als dieser in den 50er und 60er Jahren verarmt im Frankfurter Bahnhofsviertel lebte. Ulrike Trautwein kannte auch Schindlers jüdische Freunde und ihre beste Schulfreundin ist ebenfalls Jüdin. „Die tiefe Verbindung zum Judentum ist mir sehr wichtig“, sagt Trautwein, und auch der Austausch mit Muslimen. Deshalb kann sie sich auch einen „Rat der Religionen“ für Berlin vorstellen, ein interreligiöses Gremium, das der Politik beratend zur Seite stehen könnte. Aber erst mal muss sie ankommen in Berlin, Mitarbeiter und die Stadt kennenlernen und eine Wohnung finden. Am Sonnabend wird die Pfarrerin in ihr neues Amt als Generalsuperintendentin der evangelischen Kirche eingeführt. Sie ist dann eine Art Regionalbischöfin und für die „geistliche Begleitung“ der 700 000 evangelischen Christen in Berlin zuständig. Bischof Markus Dröge ist für die gesamte Landeskirche verantwortlich, also auch für die Protestanten in Brandenburg und in der schlesischen Oberlausitz.

Trautwein kommt aus Frankfurt, wo sie mit ihrem Mann die vergangenen 13 Jahre eine Kirchengemeinde in Bockenheim geleitet hat. Sie kann also schon ein bisschen Großstadt und Multikulti – auch wenn sie sagt: „Frankfurt klingt zwar groß, ist aber klein.“ Seit Jahren unterrichtet sie an einer Hauptschule Religion, an der die meisten Schüler Muslime sind. Die kleine Frau mit den kurzen Haaren und dem leicht hessischen Akzent kommt schnell mit anderen ins Gespräch. Sie predigt impulsiv, kann begeistern und macht aus ihren Gefühlen kein Geheimnis. Es sei wichtig, dass man über die Kirchenmauern hinausschaut und sich im Viertel einmischt, ob es um steigende Mieten geht, neue Bauprojekte oder darum, wie verschiedene Kulturen zusammenleben. Und wenn Menschen in die Kirchen kommen, sollen sie Strukturen vorfinden, auf die sie sich verlassen können. Von allzu vielen Experimenten im Gottesdienst hält sie nichts. „Im Gottesdienst sollen Menschen Ruhe finden und eine Heimat“, sagt sie. „Auch wenn wir Christen nicht mehr so viele sind, möchte ich, dass wir Volkskirche bleiben, dass wir zu den Menschen hingehen und sie an wichtigen Punkten ihres Lebens begleiten.“ Berlin kennt sie noch nicht gut, im ersten Halbjahr wird sie erst mal die zwölf Kirchenkreise besuchen. Im Januar will sich Ulrike Trautwein mit einem Brief an die Berliner wenden, einfach so, ohne etwas zu fordern, so wie es auch ihr Vorgänger Ralf Meister einmal getan hat. Meister ist mittlerweile Bischof der Hannoverschen Landeskirche. Wer die Pfarrerin erleben möchte, kann in die Gedächtniskirche kommen. Dort predigt sie immer am zweiten Sonntag im Monat. Claudia Keller

Der Festgottesdienst zur Amtseinführung findet Sonnabend um 14.30 Uhr in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche statt

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