zum Hauptinhalt

Berlin: Mit dem Latein am Anfang

Auch Gesamtschulen dürfen jetzt altsprachliche Klassen anbieten

Der Streit um die fünften Klassen an Gymnasien kommt zurück auf die Tagesordnung. Da die Grundschulen vom Sommer an kein Latein mehr anbieten dürfen, steigt die ohnehin große Nachfrage nach altsprachlichen Oberschulen. Aufgebrachte Eltern haben sich bereits mit einer Unterschriftenliste an den Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses gewandt, weil es die Senatsbildungsverwaltung im Dezember ablehnte, eine weitere fünfte Klassen am Zehlendorfer Schadow-Gymnasium einzurichten. Durch das neue Schulgesetz könnte jetzt Bewegung in den Streit kommen. Es erlaubt nämlich, dass Gymnasien und neuerdings sogar Gesamtschulen „einen altsprachlichen Bildungsgang ab Klasse fünf führen können“.

Bildungssenator Klaus Böger (SPD) muss sich deshalb gute Gründe einfallen lassen, wenn er entsprechende Anträge weiter in den Papierkorb befördern will. Dass die nicht lange auf sich warten lassen werden, steht schon fest. Denn nicht nur die Schadow-Schule ist interessiert. An der Marienfelder Gustav-Heinemann-Gesamtschule hat das Kollegium mit 119 gegen 1 Stimme dafür votiert, ab Klasse 5 zu beginnen. Mit der Zustimmung der Eltern wird ohnehin gerechnet. Der Antrag geht demnächst an die Senatsverwaltung, und es ist absehbar, dass andere ambitionierte Gesamtschulen und Gymnasien nachziehen werden. Bögers Verwaltung befindet sich in einem Dilemma: Einerseits hat sie angekündigt, auf die Nachfrage zu reagieren, die aus der Abschaffung von Latein an den Grundschulen resultiert. Andererseits fühlt sie sich an die Koalitionsabsprache gebunden, wonach die sechsjährige Grundschule nicht weiter ausbluten soll. Den Eltern ist dieses Dilemma aber relativ egal. Sie empfinden es als Zumutung, wenn 1150 Kinder um 522 Plätze in Lateinklassen kämpfen sollen.

Die Nachfrage nach der alten Sprache ist allerdings in den Bezirken unterschiedlich stark. An Gymnasien in Pankow und Lichtenberg wurden die Lateinklassen 2003 nicht voll, während die grundständigen Gymnasien im Westteil zwei- bis dreimal mehr Bewerber als Plätze hatten. Inzwischen gibt es in der Senatsbildungsverwaltung Überlegungen, die im Ostteil überschüssigen Kapazitäten in den Westteil zu verlagern. Trotzdem würden immer noch zehn bis 20 weitere Lateinklassen fehlen. Auch die Express-Abitur-Züge ab Klasse 5 sind überlaufen. Außerdem fordern Eltern ein grundständiges mathematisches Gymnasium.

Bei der Telefonaktion des Tagesspiegels zum neuen Schulgesetz fragten etliche Anrufer, warum das entsprechend ausgerichtete Hertz-Gymnasium in Friedrichshain nicht endlich ab Klasse 5 beginnen darf. Susanne Vieth-Entus

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false