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Berlin: Mit falschem Wohnsitz in die erste Klasse

Weil viele Eltern tricksen, sind beliebte Grundschulen überlaufen Schulreife Fünfjährige haben deshalb kaum eine Chance

STREIT UM BERLINS GRUNDSCHUL-PLÄTZE

Die Grundschule in nächster Nähe ist inzwischen für viele Eltern in Berlin unerreichbar, weil die Kapazitäten vieler Wunschschulen durch „illegal" angemeldete Kinder aus anderen Wohngebieten ausgeschöpft sind. Das Problem wird noch verschärft, weil das vorzeitige Einschulen in Berlin immer beliebter wird: Allein für dieses Jahr liegen nach Tagesspiegel-Informationen 500 bis 1000 Anträge von Eltern vor, die ihr Kind schon mit fünf Jahren in die erste Klasse schicken wollen.

Das an sich alte Berliner Problem der Scheinanmeldungen hat neue Brisanz bekommen, seit immer mehr Eltern ihre Kinder vorzeitig einschulen wollen: Je beliebter die Schule, desto geringer ist die Chance, dass man ein so genanntes Antragskind unterbringen kann. Dies bedeutet, dass selbst Kindern, die bereits im Juli sechs Jahre alt werden, noch ein ganzes Jahr auf die Einschulung warten müssen: Vor dem Gesetz sind nämlich nur die Kinder schulpflichtig, die bis 30. Juni den sechsten Geburtstag feiern. Wer zwischen 1. Juli und 31. Dezember sechs wird, hat im Ernstfall das Nachsehen. Denn bei knappen Schulplätzen werden immer die schulpflichtigen Kinder vorgezogen.

Die Benachteiligung ihrer Kinder ärgert die Eltern umso mehr, als im neuen Schulgesetz, das im Herbst in Kraft treten soll, ohnehin eine Vorverlegung der Schulpflicht auf fünfeinhalb Jahre geplant ist: Die Familien wollen also etwas für ihr Kind erreichen, was ohnehin politisch gewollt ist.

Was die Chancen der Antragskinder verringert, sind aber nicht nur die Scheinanmeldungen. Hinzu kommt, dass die beliebten Schulen oftmals einen Großteil ihrer Kapazitäten durch die eigenen Vorklassenkinder ausfüllen, die dann alle in die ersten Klassen übernommen werden. Das ärgert besonders die berufstätigen Mütter, die aufgrund ihrer Arbeitszeiten nicht in der Lage sind, ihre Kinder in eine Vorklasse zu geben: Hier gibt es nämlich nur eine Betreuung bis mittags. „Wir arbeiten, wir zahlen jede Menge Steuern und bekommen dann keinen Schulplatz, weil die Vorklassenkinder der nicht berufstätigen Frauen die ersten Klassen blockieren", erregt sich eine Mutter, deren Tochter fünf Tage nach dem Stichtag geboren wurde: Wenn sie nächstes Jahr endlich zur Schule gehen darf, ist sie bei der Einschulung über sieben Jahre alt.

Susanne Vieth–Entus

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