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Berlin: Mit fester Hand

Berlin soll eine Ampel-Regierung bekommen. Die Stadt und die Republik fragen sich: War das der Wunsch des Kanzlers?

Berlin soll eine Ampel-Regierung bekommen. Die Stadt und die Republik fragen sich: War das der Wunsch des Kanzlers? Gar ein Diktat von Gerhard Schröder? Wie groß war der Druck, den der SPD-Chef auf Klaus Wowereit ausübte? Die offizielle Version ist eindeutig: Landesverbände genießen Autonomie; Schröder hat sich nicht eingemengt.

Zum Thema Online Spezial: Berlin hat gewählt Soweit die offizielle Version in der Partei. Am Tag nach der Wahl, am 22. Oktober, saß in Berlin der SPD-Bundesparteivorstand zusammen. Gutgelaunt sagte Schröder auf dem Weg in die Sitzung: "Berlin ist auf die Zusammenarbeit mit der Bundesregierung angewiesen." Und noch ein Argument gegen Rot-Rot fiel dem SPD-Chef ein. Drei Viertel der SPD-Wähler bevorzugten eine Ampelkoalition. Bereits ein paar Tage vor der Wahl hatte Schröder gesagt: "Ich habe keine Wünsche zu äußern, jedenfalls nicht öffentlich. Wenn es hilft, werde ich es schon tun, aber eben in anderem Rahmen."

Der Hinweis auf die Zusammenarbeit mit dem Bund hat mehrere Dimensionen. Zu allererst geht es um Geld. Hauptstadtverantwortung, Bauvorhaben des Bundes, Kultur, Verkehr, Sonderhilfen: Das zusätzliche Volumen, mit dem eine dem Bund genehme Landesregierung rechnen darf, könnte leicht im Milliardenbereich liegen. Doch der Bund will nicht nur geben, die Schröder-Regierung will auch etwas. Im Bundesrat zum Beispiel. Da kann eine SPD-geführte Landesregierung, die zwei kleinere Koalitionspartner hat, leichter auf Schröder-Kurs gebracht werden, als dies bei einer Koalition zweier nahezu gleich großer Parteien wie SPD und PDS möglich wäre. Das Nein der Mecklenburger PDS zur Rentenreform ist im Kanzleramt gut in Erinnerung.

Der Afghanistan-Kurs der PDS und deren Nähe zum Pazifismus war für Schröder ein weiteres Argument. Es reicht in den Bereich des Symbolischen herein: Postkommunisten im Senat der einstigen Mauerstadt - nicht nur auf Investoren hätte dies eine abschreckende Wirkung gehabt. Der Union wäre, neben der Wirtschaftslage, eine zweite Vorlage für den Bundestagswahlkampf geliefert worden. Motive hatte Schröder also etliche. Am 22. Oktober sprach er lange mit Wowereit. Am 29., dem vergangenen Montag, soll der Kanzler seinen Berliner Erfolgskandidaten erneut angerufen haben - um 16 Uhr, nach den Sondierungen, vor der Verkündung der Entscheidung. Diese wurde im Kanzlerant sehr positiv aufgenommen. Am Dienstgamorgen bei der täglichen Lagebesprechung herrschte "einhellige Freude".

Für die verschmähte PDS ist klar, dass Schröder der böse Bube ist. "Der Kanzler hat die Verhandlungen behindert, und Wowereit hat sich ihm unterworfen", rügt Gregor Gysi. Er wisse genau, dass der Druck auf Wowereit aus dem Kanzleramt massiv gewesen sei. Wowereit habe nicht wie ein Politiker gehandelt, sondern wie ein Kaufmann, weil er an das Geld gedacht habe, das ihm der Kanzler versprochen habe. Auch Roland Claus, der PDS-Fraktionschef im Bundestag, glaubt zu wissen, dass Schröder die Berliner Genossen stark beeinflusst habe. Dabei hätten Schröder und sein Generalsekretär Müntefering offenbar eine Arbeitsteilung vereinbart: Schröder plädierte öffentlich für die Ampel, Müntefering sollte zumindest theoretisch die Option PDS aufrecht erhalten.

Gysi sagt, der Kanzler sei beleidigt, weil die PDS seine "Kriegspolitik in Afghanistan" nicht unterstütze. Zudem wisse Schröder, dass es bei der nächsten Bundestagswahl womöglich nicht für Rot-Grün reiche, weshalb er Berlin nun als "Testfeld für die Ampel" missbrauche. Auch PDS-Chefin Zimmer wirft Schröder vor, Bundespolitik mit Landespolitik zu vermischen.

"Wenn es den Kanzler nicht gäbe, wären die Koalitionsverhandlungen mit Euch schon im Gange", hatten führende Berliner Sozialdemokraten bei den Kollegen von der PDS gejammert. Sie berichteten auch von ihren Bemühungen, dem Kanzler Rot-Rot doch noch schmackhaft zu machen: mit einer Art Freifahrtschein für den Bundesrat. Die PDS hätte die SPD bei Abstimmungen im Ländergremium allein entscheiden lassen sollen. So weit wollte die PDS nicht gehen. "Über das Wie der Beteiligung der PDS an den Bundesratsbeschlüssen hätte ich mit mir reden lassen, nicht über das Ob", sagt Gysi. Senator wird er nun nicht. Doch sein Leiden scheint sich in Grenzen zu halten.

M. Feldenkirchen, R. V. Rimscha

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