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Jacqueline Henard brachte die Clubidee aus Frankreich hierher.

© Paul Zinken

Berlin: Mit gutem Beispiel

Migrantenkinder haben es mit der Karriere schwer, weil ihre Eltern sie oft nicht unterstützen können. Dem Nachwuchs geben erfolgreiche Einwanderer praktische Tipps – nach französischem Vorbild.

Junge Menschen aus aller Herren und Frauen Länder haben sich in Räumen der Humboldt-Universität bei einer Schülermesse versammelt, um ihre Karriere zu planen. Sie wollen Erfolg haben, aber der stellt sich nicht automatisch ein. Der Club „XXIe siecle Berlin – Diversity 21“ fördert auf Initiative der Publizistin Jacqueline Hénard mit solchen Messen nach französischen Vorbild Schüler aus Migrantenfamilien.

Das Besondere an dem Club ist, dass erfolgreiche Einwanderer, die selber einen steinigen Weg hinter sich haben, Migrantenkindern helfen. Die vergangene Messe war nur der Auftakt für lang anhaltende Kontakte und weitere Aktivitäten.

Zu den ehrenamtlichen Referenten zählt Sandeeb Singh Jolly. Vier Unternehmen im IT-Bereich hat der 46-Jährige inzwischen aufgebaut. Im Nachhinein sieht er seine deutsche Stiefmutter als eine Art Mentorin. Als er 1982 mit 16 aus Indien nach Deutschland kam, riet sie ihm, zuallererst mal gründlich die deutsche Sprache zu lernen. „Das war genau richtig“, sagt er heute. „Wenn man anders aussieht, hat man es auch mit guten Qualifikationen schwer, in Deutschland einen Anfang zu machen und eine Perspektive zu entwickeln.“ Deshalb will er seine Erfahrungen weitergeben an diejenigen, die es heute schwer haben. Er rät Schülern aus Migrantenfamilien, offen zu sein für Tipps, furchtlos Fragen zu stellen, Selbstvertrauen zu entwickeln und von sich aus eine gute Bildung anzustreben. „Eigeninitiative ist ganz wichtig.“

Sandeep Singh Jollyn definiert gemeinsam mit den Jugendlichen Ziele.
Sandeep Singh Jollyn definiert gemeinsam mit den Jugendlichen Ziele.

© Paul Zinken

Je jünger die Kandidaten seien, desto mehr Wissenslücken offenbarten sich. Vorstellungen seien oft schwammig. Wenn einer sagt, er wolle Arzt werden, weil man dann reich ist, krempelt Jolly innerlich schon mal die Ärmel hoch: „Oft muss man erst einmal gemeinsam realistisch Ziele definieren.“

Auch Pierre Vicky Sonkeng Tegouffo weiß, dass er durch sein Aussehen als Zuwanderer erkennbar ist. Als der Werbefachmann mit 26 Jahren aus seiner Heimat Kamerun nach Deutschland kam, berührte ihn vor allem die Perspektivlosigkeit von Asylbewerberkindern, die mit ihren Eltern ständig vor der Abschiebung standen. Inzwischen studiert er Politik und beschäftigt sich in seiner Abschlussarbeit mit gesellschaftlicher Teilhabe von Migranten. Sein wichtigster Rat an junge Einwanderer lautet: „Glaube an dich.“ Er hält es für falsch wenn Studierwillige dem häufigen Rat folgten, lieber eine Ausbildung zu machen, um schneller Geld zu verdienen.

Zwar gebe es keinen idealen Weg zum Erfolg, aber sein eigener Weg zeigt jungen Leuten, dass man trotz schwieriger finanzieller Verhältnisse ein Studium zu Ende bringen kann. Ganz wichtig ist es ihm auch, Schülern dabei zu helfen, ihre Identitätskrise zu bewältigen: „Junge Migranten haben tagtäglich damit zu kämpfen, dass sie hier sozialisiert sind, aber trotzdem weiter als ,Fremde’ wahrgenommen werden.“ Er selbst habe keinen Mentor gehabt –aber er will bei künftigen Messen wieder mit dabei sein.

Positives Selbstbewusstsein findet auch Edith Pichler wichtig. Gerade Kindern aus sogenannten bildungsfernen Familien fehle es häufig an Vorbildern, und sie könnten auch keine starke Gruppe bilden, in der sie einander unterstützen und fördern. Deshalb neigten sie dazu, sich selbst auszuschließen. Pichler ist auch in einer Vertretung italienischstämmiger Bürger zuständig für Schule und Bildung. Sie kennt genug Studien, nach denen in Deutschland schulische Erfolge eher von sozialer und nicht so sehr von geographischer Herkunft geprägt sind. Die gebürtige Italienerin glaubt, dass viele Menschen in ihren eigenen Funktionen täglich dazu beitragen können, Schüler mit Migrationshintergrund zu fördern und ihnen Interesse an Bildung zu vermitteln.

Sie hat durchaus erfahren, dass nicht nur die Jugendlichen selbst, sondern manchmal auch die Eltern sich gezielt nach Studienmöglichkeiten erkundigen. Doch vielen fehlen Geld und Kontakte, um die Kinder zu fördern. Zwar hatte Pichler am Anfang selbst auch keine Mentoren in Deutschland, fand aber den Zusammenhalt mit anderen ausländischen Studenten, die sie in Sprachkursen kennengelernt hatte, förderlich. Später seien dann die deutschen Kommilitonen dazu gekommen, die gute Freunde, fast Familie wurden.

Für Rashid Baydon ist es am wichtigsten, den Schülern Selbstbewusstsein und erstes Knowhow im Selbstmarketing zu vermitteln. „Die wissen doch noch gar nicht, wie man sich richtig verkauft und an ein schönes Praktikum rankommt.“ Der 27-Jährige Sohn eines Jordaniers und einer Hamburgerin hat Entrepreneurship studierte an der Hochschule für Wirtschaft und Recht und ist heute Mode- und Internet-Unternehmer. Zuerst hat er sich für ein eigenes Schulprojekt engagiert. Mit seinen Visitenkarten ist er grundsätzlich freigiebig. Die Schüler, die er auf der Messe kennengelernt hat, rufen ihn an, und kommen immer mal in seinem Büro vorbei. Bei reinen Tipps will er es bewusst nicht belassen. Er hat den Schülern angeboten, Bilder für sein Magazin einzureichen und ihnen ein Feedback zu ihrem Fotografietalent zu geben. Dass sein ehrenamtliches Engagement auch dem eigenen Unternehmen nutzt, verhehlt er gar nicht. Helfend kann er so Nachwuchs-Talente finden.

Erfolg bringt, was Spaß macht. Göksu Müslim ist Geschäftsführerin in einem Modeschmuck-Unternehmen.
Erfolg bringt, was Spaß macht. Göksu Müslim ist Geschäftsführerin in einem Modeschmuck-Unternehmen.

© Paul Zinken

„Es mag komisch klingen, aber mich macht es richtig glücklich, anderen zu helfen“, sagt Göksü Müslim. Die Eltern der gebürtigen Berlinerin sind aus der Türkei nach Deutschland gekommen und hatten selber keinen akademischen Hintergrund. „Mein Vater hat mich immer ermuntert, etwas Tolles zu machen, aber konkrete Ratschläge konnte er nicht geben.“ Ermuntert von TV-Serien nahm sie zunächst ein Jura-Studium auf, gab aber nach einer Weile entnervt auf.

Viel mehr Spaß machte ihr das Studium, in dem es um internationales Management und Unternehmensberatung geht. Heute ist die 30-Jährige Geschäftsführerin eines Unternehmens, das deutschlandweit ein Filialnetz für gehobenen Modeschmuck aufbaut. Ihr wichtigster Ratschlag an die Schüler lautet: „Macht etwas, was euch Spaß macht, dann stellen sich Geld und Erfolg ganz von alleine ein.“ Sie selber, glaubt sie, habe viel zu viel Zeit damit verschwendet, an ihren Schwächen zu arbeiten, statt gezielt ihre Stärken einzusetzen.

Bei einem Schüleraustausch in den USA hat sie entdeckt, wie wichtig es ist, sich gemeinsam mit anderen sozial zu engagieren. Sie hofft auf weitere Mitglieder für den Club Diversity 21: „Wir sind ein Action Tank und wollen ganz viele Projekte realisieren.“

Info und Kontakt: www.diversity21.org,

www.facebook.com/pages/Diversity-21-

Berlin/252825008160823

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