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Berlin: Mit schönen Dingen Geld verdienen

Berlin gilt als kreative Metropole. Eine Konferenz geht der Frage nach, wie sich mit Kultur und Design noch mehr Umsatz machen lässt

Sie entwerfen Möbel, schreiben Drehbücher oder komponieren Klingelmelodien fürs Handy: Kreative Köpfe sind immer mehr gefragt. Allein in Berlin arbeiten der Senatsverwaltung für Wirtschaft zufolge rund 100 000 sozialversicherungspflichtige Beschäftige in der Kulturwirtschaft. 21 000 Unternehmen erwirtschaften jährlich ein Umsatzvolumen von über acht Milliarden Euro. Zwischen 1998 und 2004 stieg die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Berliner Kulturwirtschaft um rund 18 Prozent, 15 000 Arbeitsplätze sind in diesem Zeitraum neu entstanden, dazu kommt nochmals eine Vielzahl an Freiberuflern. Neben dem Tourismus ist dieser Wirtschaftszweig in Berlin der am schnellsten wachsende.

Weil auch in anderen Städten die Kulturindustrie immer wichtiger wird, veranstaltet die Landesinitiative Projekt Zukunft am kommenden Montag eine Internationale Konferenz zum Thema Creative Cities. Die Veranstaltung ist Bestandteil der „Global Alliance for Cultural Diversity“ der Unesco. „Die Konferenz soll das Fundament für eine engere Zusammenarbeit legen“, so Tanja Mühlhans, Referentin für Kulturwirtschaft im Wirtschaftssenat. Das Potenzial der kreativen Industrie als Treiber wirtschaftlichen Wachstums sei in vielen Städten groß.

Zur Konferenz kommen unter anderem Vertreter aus London, Oslo, Wien, Kopenhagen und Edinburgh. Auch dort spielen kreative Unternehmen eine wichtige Rolle. In Wien leben ebenfalls rund 100 000 Beschäftige von der Musik-, Film-, Design- oder Medienindustrie. Im Zeitraum von 1998 bis 2002 ist dort der Anteil der Kreativ- an der Gesamtwirtschaft um 6,2 Prozent gestiegen. Mit umgerechnet 31 Milliarden Euro Jahresumsatz setzt Londons Kreativwirtschaft so viel um wie dort die gesamte verarbeitende Industrie und fast viermal so viel wie die Berliner Kulturwirtschaft. 525 000 Menschen sind in der britischen Hauptstadt in den „creative industries“ tätig – damit ist dieser Sektor der drittgrößte Arbeitgeber an der Themse.

Sebastian Peichl, Vorstand von Create Berlin, einem vom Senat unterstützten Designer-Netzwerk, sieht Berlin im internationalen Vergleich hintenan. „Berlin hat Nachholbedarf im Hinblick auf Qualität und Angebot.“ Es gelte, Märkte zu erschließen und sich insgesamt zu professionalisieren. Vorteil sei die Attraktivität der Stadt. „Viele Designer wollen hier arbeiten.“ Gründe seien die günstigen Lebensbedingungen und das vielfältige kulturelle Angebot.

Dass es noch viel zu tun gibt für die Kreativen, sieht auch der Senat. In einer Analyse wird das Resümee gezogen: „Die Probleme der Kulturwirtschaft sind oftmals geringe Eigenkapitalausstattung, Finanzierungsschwäche, Managementdefizite und mangelnde Kenntnis von Förderprogrammen sowie Schwächen bei der internationalen Vermarktung.“ Aufgrund dieser Defizite könnten die Wachstums- und Internationalisierungschancen im Mittelstand bisher nicht voll genutzt werden. Als Reaktion will der Senat unter anderem neue Kreditprogramme mit Hilfe der Investitionsbank Berlin entwickeln.

Trotz aller Widrigkeiten sind die Umsätze der Berliner Kulturwirtschaft seit 1998 um acht Prozent gestiegen. Am meisten Umsatz machte 2004 in Berlin der Buch- und Pressemarkt mit 1,6 Milliarden Euro, dicht gefolgt von der Softwarebranche mit 1,4 Milliarden Euro. An dritter Stelle steht die Film- und Fernsehwirtschaft mit 1,3 Milliarden Euro. Die Musikbranche erwirtschaftete 2004 1,1 Milliarden Euro. 24 Prozent der Unternehmen waren 2004 laut statistischem Landesamt im Kunstmarkt tätig, Buch- und Pressemarkt machten 22 Prozent aus. Mit immerhin 13 Prozent folgen Architektenbüros an dritter Stelle. Dass der Kunstmarkt so stark vertreten ist, liegt an den vielen Galerien und selbstständigen Bildenden Künstlern. Bezogen auf die Einwohnerzahl hat Berlin mit sechs Prozent die höchste Dichte an selbstständigen Künstlern im Land. Seit 2000 ist die Anzahl der Künstler in Berlin um über vierzig Prozent gestiegen.

Auch Messen ziehen Publikum an und schaffen Arbeitsplätze: Ob Popkomm für die Musikindustrie oder Bread & Butter für Modeschaffende. Noch nicht genug – wie Create Berlin-Chef Peichl findet: „Da müssen wir noch mehr ranklotzen.“ Designer wie der Designunternehmer Holger Jahn sehen das ähnlich. Festivals wie der Designmai dienten zu wenig dem Geschäftlichen. „Der wirtschaftliche Nutzen ist zu klein im Vergleich mit dem Aufwand“. Das Festival, das seit 2004 existiert, sei zu künstlerisch ambitioniert.

Anderswo werden die kreativen Industrien schon seit längerer Zeit gezielt gefördert. So hat etwa die Stadtverwaltung von Buenos Aires bereits 2000 ein Zentrum für Design gegründet. 2,5 Millionen US-Dollar gibt die Stadtregierung jährlich für die Branche aus. 500 000 Dollar bekommt das alljährliche im November stattfindende Designfestival. Die halbjährliche Modemesse „Fashion Buenos Aires“, wird mit einer Million Dollar unterstützt. Viel Geld für die Hauptstadt Argentiniens, die 2005 von der Unesco zur weltweit ersten Stadt des Designs ernannt wurde. Als Kulturstadt berühmt, ist Buenos Aires für ganz Südamerika eine Art Think Tank, diese Vorreiterrolle soll erhalten und weiter ausgebaut werden.

Designer Holger Jahn wünscht sich für Berlin ebenfalls ein Zentrum wie in Buenos Aires. „Das wäre gut für die Vernetzung und würde ein Signal setzen“, so der 40-jährige Stuttgarter, der der Anziehungskraft der Hauptstadt im Jahr 2000 folgte.

Die „International Creative Cities Conference“ der Landesinitiative Projekt Zukunft findet am Montag, 11. September im Postfuhramt in der Oranienburger Str. 35-36 in Berlin-Mitte statt. www.creative-cities.de

Christine Berger

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