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Mitarbeiter der Arbeiterwohlfahrt: "So schnell geben wir nicht auf"

In den Einrichtungen der Arbeiterwohlfahrt fürchten Mitarbeiter nach der Insolvenz um ihren Job – doch in der Seniorenpflege geht es weiter wie bisher.

Peter Wasel legt Tempo vor. Mit raschen Schritten läuft der Heimleiter durch die Gänge seiner Pflegeeinrichtung. Sein Blick ist aufgeweckt, als er auf Fragen einer Seniorin eingeht, der es gerade nur schwer gelingt, vom Rollstuhl aus die Tür ihres Zimmers zu öffnen. Als Wasel über die Insolvenz spricht, seufzt er kein einziges Mal. Kein Anzeichen von Sorge ist in seinem Gesicht zu sehen. Wie es ihm gehe? „Gut!“, sagt er mit Nachdruck und grinst. Er ist überzeugt von seiner Arbeit, für die Altschulden könnten die Tochtergesellschaften schließlich nichts.

Am vorigen Montag hatte der Berliner Landesverband der Arbeiterwohlfahrt (Awo), wie berichtet, Insolvenz angemeldet. Der soziale Träger steckt seit Jahren in finanziellen Schwierigkeiten. Im kommenden Jahr fällige Rückzahlungen von Schulden in Millionenhöhe können nicht vollständig aufgebracht werden. Dabei handele es sich um „Altlasten“ aus den 80er Jahren, gab die Awo bekannt. Mit der Insolvenz habe man nun „die Notbremse“ gezogen, sagt Peter Schüler, Betriebsrat im Buckower Ida-Wolff-Pflegeheim. Die Nachricht habe natürlich für etwas „Unruhe“ gesorgt, einige Mitarbeiter hätten gefragt: „Ist mein Arbeitsplatz jetzt gefährdet? Bekomme ich weiter mein Gehalt?“. Doch auch die Betriebsräte hätten versucht, den Mitarbeitern zu erklären, dass die Arbeit normal weitergeht. Die Arbeitsatmosphäre sei trotz allem gut.

Das Frühstück im Ida-Wolff-Pflegeheim ist vorbei. Draußen regnet es, doch im Innenraum dominieren warme Farben. In der Wohngruppe von Leiterin Helga Vauth läuft gerade das Gedächtnistraining. „Kennt jemand eine schöne Oper?“ oder „Welche Baumsorten gibt es in Deutschland?“, fragt eine Pflegerin die Senioren, die um sie herum sitzen. Einige kommen richtig in Fahrt, andere hören zu. „Regelmäßige kognitive Anforderungen sind wichtig, damit man nicht einrostet“, sagt Wasel. Am Nebentisch sitzt die mit 104 Jahren älteste Bewohnerin, ihre Tischnachbarin spielt mit einem jungen Ein-Euro-Jobber eine Runde Mensch-ärgere-dich-Nicht.

Trotz des normalen Alltags geht den Mitarbeitern die Insolvenz nicht aus dem Kopf. „Diese utopisch hohen Schuldensummen sind wirklich erschreckend“, sagt Wohngruppenleiterin Vauth. Ärgerlich sei aber: „Diejenigen, die unsere jetzige Lage verschuldet haben, sind nicht mehr da.“ Stattdessen müssten nun die Mitarbeiter die Schulden „abstottern“. Seit vier Jahren verzichten sie bereits auf fünf Prozent ihres Lohns und auf die Zahlung des Urlaubs- und Weihnachtsgelds. Vauth gehört wohl zu denjenigen Mitarbeitern, die Betriebsrat Schüler mit den „relativ Entspannten“ gemeint hat. Sie hofft trotz der Insolvenz, dass der Lohnverzicht im kommenden Jahr wie geplant auslaufen könnte. Vauth deutet auf ihre Mitarbeiter und die Senioren. „Für uns ändert sich erst einmal nichts.“ Die Bewohner seien schließlich da. Von der Insolvenz würden sie gar nichts mitbekommen. Nach Angaben des Heimleiters sind 60 bis 70 Prozent der Bewohner nicht mehr „voll orientiert“.

Vauths Kollegin, die Wohngruppenleiterin Judith Hanisch, hat Tränen in den Augen, als sie von der Insolvenz spricht. Doch ihre Stimme ist fest, sie spricht sich und ihren Kollegen Mut zu: „So schnell geben wir nicht auf, wir leisten hier gute Arbeit.“ Gute Fachkräfte seien in der Branche gefragt, sagt Hanisch. Doch bei dem Gedanken, zu einem anderen Träger wechseln zu müssen, senkt sie ihren Blick. „Ich bin doch bewusst bei der Arbeiterwohlfahrt.“ Wie die Pflege umgesetzt werde, gefalle ihr.

Der Awo-Landesverband muss nun die Banken überzeugen, auf einen Teil der Kreditforderungen zu verzichten. Wohl auch deshalb bemüht sich Heimleiter Peter Wasel, alles offenzulegen, damit er im Ergebnis eine „gesunde“ Einrichtung präsentieren kann. Und der ehrenamtliche Heimfürsprecher Karl-Heinz Augustin, an den sich Senioren mit Beschwerden wenden können, betont: „Hier sind wirklich keine Leichen begraben.“

Karin Schädler

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