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Berlin: Mitarbeiter gesucht – und nicht zu finden

Nahezu 300 000 Menschen sind in Berlin arbeitslos. Dennoch haben Firmen Probleme, offene Stellen zu besetzen

Rund 288 000 Arbeitslose gibt es in Berlin, doch in Kreuzberg sucht eine Firma erfolglos Mitarbeiter. Vor zwei Monaten hat das Callcenter „Kuhn und Cie“ 50 Stellen neu geschaffen – doch das Unternehmen findet keine Interessenten. „Wir haben alles versucht“, sagt die Marketingleiterin Sonya Karnarski. „Anzeigen in Tageszeitungen, Werbung im Radio und im Internet, Aushänge und Flyer an der Uni – aber alles umsonst.“

Dabei können die Beschäftigten bei „Kuhn und Cie“ ihre Arbeitszeit in drei Schichten frei wählen, sowohl Vollzeit als auch Teilzeit ist möglich. Die Bezahlung setzt sich zusammen aus einem Grundgehalt von acht Euro pro Stunde und einer leistungsabhängigen Provision. Seit 20 Jahren gibt es Kuhn und Cie, 250 Mitarbeiter sind hier beschäftigt. Erst vor kurzem hat das Magazin „Junge Karriere“ das Unternehmen als „Fair Company“ eingestuft, die Vollzeitbeschäftigte nicht durch Praktikanten ersetzt. Doch wegen der unbesetzten Stellen wird es jetzt eng. „Wir haben Aufträge ohne Ende“, sagt Karnarski. „Ich muss aber unsere Kunden vertrösten, wir kommen nicht hinterher.“

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) berichtet von ähnlichen Fällen. „Es gibt in Berlin Unternehmen, die händeringend Mitarbeiter und Auszubildende suchen“, sagte IHK-Sprecher Stefan Siebner. Vor allem einfache Jobs und Stellen mit unangenehmen Arbeitszeiten seien schwer zu besetzen. „Versuchen Sie mal, einen Bäckerlehrling zu finden“, sagt Siebner. Auch von einer Blumenhändlerin berichtet er. Als die Frau einen neuen Mitarbeiter beschäftigen wollte, stellten sich 20 Bewerber vor. Als diese erfuhren, wie früh sie für den Großmarkt aufstehen müssten, hatte keiner mehr Interesse.

Die IHK setzt nun auf Hartz IV und die verschärften Zumutbarkeitsregeln für Arbeitslose. „Durch die Ein-Euro-Jobs wird ein stärkerer Druck ausgeübt“, sagt Siebner. „Es gibt immer wieder Menschen, die einen Job nicht annehmen, den wir ihnen vermitteln“, sagt auch Olaf Möller, Sprecher der Regionaldirektion für Arbeit. Wer keine stichhaltigen Gründe vorbringt, erhält eine Sperrzeit bei den Leistungen. Diese kann bis zu zwölf Wochen betragen. Bisher wurden in diesem Jahr in 5700 Fällen Leistungen vorübergehend gestrichen. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet dies eine Zunahme von 65 Prozent. Möller erklärt dies damit, dass die Gründe genauer überprüft werden.

Schwierigkeiten, Fachkräfte zu finden, hat auch der Pharmahersteller Berlin-Chemie. Wie berichtet, will das Unternehmen in den kommenden fünf Jahren die Zahl seiner Beschäftigten auf über 7500 mehr als verdoppeln. Unlängst beklagte Vorstandschef Reinhard Uppenkamp bei einer öffentlichen Diskussion die falsche Kiezverbundenheit mancher Berufsanfänger. So habe er junge Facharbeiter, die nach ihrer Ausbildung in einem Betrieb im Westen Berlins nicht übernommen werden konnten, einstellen wollen. Doch einige von ihnen seien nicht bereit gewesen, zum Firmensitz von Berlin-Chemie in Adlershof zur Arbeit zu fahren.

Kuhn und Cie erreicht man per Mail: info@kuhn-und-cie.de. Die Rufnummer lautet 030/300132300.

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