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Berlin: Moabiter Knochenarbeit

Fachleute restaurieren die Saurierskelette aus dem Naturkundemuseum

Vor Kevin Krudwig, dem Schmied, liegt das Fußgelenk eines Dysalotosaurus, dem Zwerg unter den Dinos. Vor 150 Millionen Jahren ist der kleine Vegetarier gestorben, vor 70 Jahren kam er ins Museum, nun liegt er in einem Sandkasten auf Rollen. Krudwig wird dem Fußgelenk ein neues Korsett aus Stahl verpassen. Vorher wird das Körperteil im Sandkasten in die gewünschte Pose gelegt. Der Fuß soll dynamischer wirken als bisher, ein wenig läuferischer.

Eine Fabriketage in Moabit ist derzeit ein Zentrum der Dinosaurier-Restauration. In Holzkisten verpackt, mit Noppenfolie umwickelt, warten die Überbleibsel aus der Vorzeit auf ihre Spezialbehandlung. Die kanadische Firma „Research Casting International“ ist führend auf diesem Gebiet. Im April 2005 haben die Kanadier damit begonnen, die Skelette im Naturkundemuseum zu zerlegen. Nun wird jedes Einzelteil gesäubert und mit einer klebrigen Masse konserviert. Danach entsteht wieder ein knöchernes Ganzes, aber authentischer, keinesfalls dramatischer, sagt Ausstellungsleiter Ferdinand Damaschun. Man will nicht in den Verdacht kommen, sich dem Publikum nach Art des Plastinators von Hagens aufzudrängen.

Kevin Krudwig aus Ontario in Kanada ist eigentlich Bildhauer. Das Neu-Armieren der Skelette verlangt hartes Zuschlagen, aber auch viel Augenmaß. Knöchelchen werden zwischen dünne, spinnenartige Haltestangen geklemmt. Mit Hammer und Amboss erledigt Krudwig die Grobarbeit, dann wird immer wieder angepasst und nachjustiert. Im September, so hofft er, soll alles fertig sein. Die Restauratoren von heute zollen ihren Kollegen aus früheren Jahren großes Lob. Mit den damaligen Mitteln – vor allem Gips und Pasten aus Pferdeknochen – habe man viel erreicht. Auch die Armierungen seien meist in einem vorbildlichen Zustand, sagt Paläontologe David Unwin.

Der neugestaltete Sauriersaal soll im Sommer 2007 eröffnet werden. Das 23 Meter lange Brachiosaurus-Skelett wird dann aufrechter stehen und nicht mehr in Teilen an der Decke hängen. Alle Knochenrepliquen, bisher aus Gips, werden aus einem leichten Kunststoff neu gefertigt. So spart man Gewicht.

Um die Originale herum wird moderne Medientechnik installiert, um die Ausstellung attraktiver zu machen. So soll es Fernrohre geben, die den Blick auf die Objekte und deren Vergangenheit schärfen. Einzelheiten möchte Sebastian Peichl von der Agentur Art + Com noch nicht verraten. Über die Feinheiten des Ausstellungskonzepts stimme man sich gerade mit dem Naturkundemuseum ab.

Die Moabiter Fabriketage ist derzeit auch für Forscher eine wichtige Adresse. Endlich können sie mal in ein Becken schauen, ohne dass Oberschenkelhälse ihnen die Sicht nehmen. Alle Knochenteile können in natura betrachtet werden. Später wird beispielsweise der Berliner Archaeopteryx, die „Mona Lisa der Paläontologie“ (Damaschun), wieder in einer Vitrine verschwinden, die den Urvogel vor Zugriffen schützt.

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