zum Hauptinhalt
Gestandene Männer. Christian Kratzert und Jochen Pahnke feierten im Oktober ihr 30-jähriges Firmenjubiläum. An der Wand hinter ihnen kann man sehen, wie viel sie geschafft haben.

© Mike Wolff

Mode und Berlin: Kratzert und Pahnke - die Unbeirrbaren

Das Label Kratzert & Pahnke ist ein Urgestein der Berliner Mode. Nun hat das Label seinen 30. Geburtstag gefeiert.

Ein Label, das in Berlin seinen 30. Geburtstag feiert, ist schon etwas Besonderes – auch wenn es ein wenig geschummelt ist. Denn so, wie Kratzert und Pahnke mal gegründet wurden, arbeiten die beiden Designer schon lange nicht mehr. Ein eigenes Atelier haben sie aber immer gehabt. Vor ein paar Jahren sind sie von Charlottenburg nach Schöneberg gezogen, und schon im Fenster liegt ein Beweis, wie sehr sich ihre Arbeit gewandelt hat.

Eine lilafarbene Livree mit goldenen Knöpfen ist da drapiert. Sie sieht fast so aus wie die, die Ralph Fiennes in „Grand Budapest Hotel“ trägt. Da lächelt Christian Kratzert still und Jochen Pahnke fängt sofort an zu erzählen: „Alles, was in Grand Budapest lila ist, hat Christian gemacht.“ Auch an den Kostümen für Filme wie „Das weiße Band“, „Inglourious Basterds“, „Der Wolkenatlas“ und vielen mehr hat er mitgearbeitet.

Für welche Großproduktion er zurzeit als Atelierleiter arbeitet, ist noch geheim. Für wen er die Kostüme macht, ebenfalls. Nur so viel verrät Pahnke: Es ist Hollywood, und Christian Kratzert rettet schon mal das ganze Filmteam vor den schlechten Launen einer Diva, wenn er ihr auf die Schnelle ein Kostüm auf den Leib schneidern lässt, das perfekt passt.

Das Atelier von Kratzert & Pahnke trägt heute den Zusatz „Kostüm“, und das sieht man überall. Vergangenheit macht Christian Kratzert Spaß. Das Atelier sieht aus wie eine Kulisse, die das Designerduo auf neue Ideen bringt: alte Nähmaschinen, bemalte Schachteln voller Knöpfe, Holzschatullen mit Garnrollen und hunderte Stoffrollen, die zu einem bunten Mosaik bis unter die Decke gestapelt sind.

Und dann riecht es auch noch nach frisch gebackenem Kuchen! Kratzert kommt gerade aus der Küche, und auch die ist vor allem zum Gucken da. In der alten Küchenanrichte steht buntes Geschirr aus den 30er und 40er Jahren, an der Decke hängen Dutzende Lampen, einfach, weil sie so schön sind. Die Modezeichnungen von Jochen Pahnke an den Wänden passen wunderbar zu den alten Möbeln und kurvigen Schneiderpuppen.

„Im Nachhinein ist es klar, dass wir irgendwann Kostüme machen würden.“ Kratzert schaut fast ein wenig verwundert auf die alten Fotos aus den 80er Jahren: Schon damals sahen die Tennispullover und weiten Bundfaltenhosen mehr nach 30er als nach modernen 80er Jahren aus. Die Hosen waren der Knaller. Alles lief gut, sie konnten davon leben. Auf der großen Modemesse CPD in Düsseldorf durften sie ihre Entwürfe vorführen. Verkauft wurden sie nicht, dafür war der deutsche Markt zu konservativ. „Das war immer Volksbelustigung“, sagt Pahnke. Aber in Berlin hatten sie ihre Kunden.

Vor exakt 30 Jahren zeigten die Beiden ihre erste Modenschau

Ihre erste Modenschau zeigten sie vor genau 30 Jahren auf der Berliner Modemesse Off-Line. Sie waren jung, sie hatten eine solide Ausbildung. Christian Kratzert hatte noch die letzten drei Monate beim Berliner Couturier Uli Richter gearbeitet, bis der als Letzter einer Riege großer Berliner Modeschöpfer seine Firma schloss. Eine Ära war vorbei, die der wohlgeordneten Damenoberbekleidung. Jetzt war Platz für Neues. „Das war aber keineswegs deprimierend, sondern eher das Gefühl von 70 Jahren auf 25“, sagt Kratzert.

Das Tor kennen wir gut. Kratzert und Pahnke im Jahr 1985.
Das Tor kennen wir gut. Kratzert und Pahnke im Jahr 1985.

© promo

Doch dann fiel die Mauer, und alles änderte sich. Was aus West-Berlin kam, interessierte nicht mehr. Alle schauten in den Osten. „Das war eine herbe Umstellung“, sagt Pahnke. Also änderten sie ihr Konzept, zogen sich zurück, konzentrierten sich auf ihr Atelier und luden ihre Kunden zu Salonschauen ein. Irgendwann kamen die Kostüme dazu.

Das hatten sie eigentlich nur der guten Lage ihres Ateliers zu verdanken, das war nämlich viele Jahre vis-à-vis der Schaubühne. Und wenn die mal ein Kostüm nicht fertig bekamen, baten sie Kratzert und Pahnke um Hilfe. Die Kostümbildnerin hat ihnen weiter Aufträge verschafft. Irgendwann kamen die ersten großen Filmproduktionen. Vor allem für historische Kostüme wird Christian Kratzert angefragt. Das kommt seiner Sammelleidenschaft entgegen. Er recherchiert, wie ein Kleidungsstück aussah und wie es hergestellt wurde, Maße und Stoff bekommt er.

2004 haben sie beschlossen: Wir machen nur noch Kostüme, 2005 luden sie zur letzten Modenschau. Da unterrichtete Jochen Pahnke schon an ihrer alten Schule, dem Lette-Verein, wo er inzwischen die Abteilung für Modedesign leitet. „Jeder hat das gefunden, was ihm entspricht“, sagt er. Sie treffen sich regelmäßig in ihrem Atelier, dann sind sie wieder Kratzert und Pahnke. Daran soll sich auch so schnell nichts ändern.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false