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Berlin: Modefotos als Spiegel der Zeit: Als Models noch Modelle waren

Auf das Tragen von Lippenstift standen in den Fünfzigern Ohrfeigen. Von den Eltern und für Susanne Erichsen.

Auf das Tragen von Lippenstift standen in den Fünfzigern Ohrfeigen. Von den Eltern und für Susanne Erichsen. Genützt haben sie nichts, denn die Berlinerin musste trotzdem Mannequin, Fotomodell und obendrein 1957 die erste Miss Germany werden.

Seit heute ist in der Kunstbibliothek am Kulturforum die Ausstellung "Botschafterinnen der Mode" zu sehen mit Fotos von Susanne Erichsen, Denise Sarrault und Elfi Wildfeuer, den Star-Mannequins der Fünfziger Jahre. Es sind gestochen scharfe, bestechende Fotos, die die eleganten Modelle und ihre Persönlichkeit so wichtig nehmen wie die Kleidung. "Heute", sagt Denise Sarrault hinter getönten Brillengläsern, sei das Model-Business "doch viel unpersönlicher geworden." So, als hätte man den Modellen mit dem zweiten "l" auch ein Stück Individualität genommen. In der Ausstellung begegnet man jedenfalls anderen Blicken als in aktuellen Zeitschriften. Wach sind sie, furchtlos, hell und vollkommen uncool. Das Korsett darunter sieht man nicht.

Aber man sieht Denise Sarrault, die ohne diese schmerzliche Unerfülltheit im Blick wohl keine Französin wäre, auf Hubschrauberlandeplätzen und in Cafés. Elfi Wildfeuer sieht auf den Fotos aus, als hätte ein Verliebter fotografiert. Und tatsächlich, die Fotoreisen, die sie mit dem Fotografen Hubs Flöter in die Welt unternahm, verliefen sehr viel persönlicher, als ein Booking heute abläuft. Wenn sie mit ihm aufbrach, nach Italien oder Paris, dann saßen die beiden alleine im Zug. Keine Stylisten, keine Assistenten. Der Fotograf wurde dafür über viele fotografische Jahre seines Modells nicht müde. Heute hat Elfi das Wildfeuer abgelegt, heißt jetzt Petersen mit Nachnamen und könnte mit ihrem goldgeknöpften Blazer auch eine echte Botschafterin sein. Boulevard Berlin: Was die Stadt bewegt... Wieviel mehr als Mode in den Modefotografien der vergangenen Jahrzehnte liegt, will der Fotograf F.C. Gundlach in seiner Parallelausstellung zeigen: "Die Pose als Körpersprache" vermutet in den Körperhaltungen der Models eine Aussage über die damalige Zeit und Gesellschaft. Die Posen, sagt Gundlach, die scheinbar künstlichen, kommen ja "aus der Frau heraus", sind also Zeichen von Individualität. Trotz ihrer großen Künstlichkeit transportierten diese Modelle deshalb ein Lebensgefühl der Zeit, unbewusst aber unmissverständlich. Auf diese Weise gesehen, rücken die Modefotografien plötzlich in die Nähe von Dokumentation. Und der Modefotograf steigt zum Zeitzeugen und Biografen seiner Epoche auf.

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