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Engagierte Brüder. Björn (links) und Arne Blumeier fördern Gehörlose.

© Marc Röhlig

Model-Wettbewerb mit sozialem Hintergrund: Großer Auftritt für Gehörlose

Zwei Berliner Brüder organisieren Events für Hörgeschädigte. Nun suchen sie die „Miss Deaf Germany“ – und Bestätigung für sich selbst.

Zum Beispiel diese Geschichte, sagt Arne Blumeier, die zeige doch das Mobbing perfekt: Eine Dreiviertelstunde habe er einst ein Bewerbungsgespräch geführt. Es ging um seine Qualifikationen, um seine Interessen. Arne Blumeier konnte die Fragen verstehen und beantworten. Aber am Ende wollte man ihn nicht nehmen, weil er ja gehörgeschädigt sei. „Wieso spielt das eine Rolle, wenn wir zuvor ein normales Gespräch führen konnten?“, fragt Blumeier.

Er und sein Zwillingsbruder Björn sind von Geburt an gehörgeschädigt. Sie tragen Hörgeräte. Flüstern, vorbeifahrende Autos, Blätterrascheln, das sind alles Dinge, die ihnen verborgen bleiben. „Aber wir wollen allen zeigen, dass wir trotzdem Leistung bringen können“, sagt Björn Blumeier. Die 36-jährigen Berliner organisieren seit Jahren Partys und Events für die gehörlose Community der Hauptstadt. Aber immer bleibe dabei die Gruppe unter sich. Nun soll am Sonnabend ab 18 Uhr die „Miss Deaf Germany“ im Hotel Andels an der Landsberger Allee stattfinden, die Wahl zur schönsten Gehörlosen Deutschlands. Ganz klar, sagen beide Brüder gemeinsam: „Wir wollen Aufmerksamkeit.“

Den Schönheitswettbewerb gebe es eigentlich seit den 70er Jahren, 2005 sei er allerdings eingeschlafen. Im vorigen Jahr haben Arne und Björn Blumeier die deutschen Markenrechte übernommen und den Wettbewerb reaktiviert. Die erste Gewinnerin wurde prompt beim internationalen Wettbewerb zur „Miss Deaf World“ gewählt. Nun hoffen die Brüder auf eine Fortsetzung des Erfolges.

16 Kandidatinnen hat eine Jury aus mehr als 40 Bewerberinnen ausgewählt. Seit Mittwoch erhalten die Mädchen aus ganz Deutschland Catwalk-Trainings und Foto-Coachings. „Für viele der Mädels ist das die einzige Chance, professionell ins Model-Geschäft einzusteigen“, sagt Björn Blumeier. Klassische Agenturen hätten kein Interesse an Gehörgeschädigten. Statt einfach nur den Wettbewerb abzuhalten, wolle man den Kandidatinnen mehr bieten, sagen die Brüder. Die Unterkunft im Hotel, die Fotoshootings – unter anderem Unterwasseraufnahmen sind geplant – und die Kostüme sind dabei alle gesponsert. „Anders könnten wir es auch nicht stemmen“, sagt Arne Blumeier.

Unter den Kandidatinnen ist die 24-jährige Christine Vonyo aus München. Ein befreundeter Fotograf hat sie überredet, mit dem Modeln zu beginnen. Aber bei einem Event dieser Größe ist sie zum ersten Mal. „Ich bin sehr aufgeregt, was alles passieren wird“, sagt Vonyo. Mit den anderen jungen Frauen sitzt sie in der Hotellobby. Die Kandidatinnen unterhalten sich auf Gebärdensprache; sie sehen aus wie eine Gruppe schnatternder Mädchen, bleiben aber lautlos. Als zwei Angestellte vom Hotel etwas sagen, lesen die Frauen deren Lippen. Die Blicke springen hin und her wie beim Tennis.

„Es ist nicht so, dass wir hilflos sind“, sagt Björn Blumeier. Gehörlosigkeit sei keine Behinderung, die einen aus der Gesellschaft ausschließe – solange sich die Gesellschaft auf Gehörlose einstelle.

Für die „Miss Deaf Germany“ haben die Brüder daher ein doppeltes Konzept entworfen: Es wird Moderatoren geben. Und es wird Gebärdendolmetscher geben. „Wir wollen zeigen, was alles möglich ist“, sagen sie.

Informationen online unter
www.missdeafgermany.com

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