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Nur einmal zweifelte Hartmann an Berlin – nach der Lektüre des Tagesspiegel-Newsletters „Checkpoint“.

© Kai-Uwe Heinrich

Moderator Waldemar Hartmann: „Weißbier-Waldi“ unter Preußen

Lange drehte sich bei TV-Moderator Waldemar Hartmann alles um den Sport. Dann zog er nach Berlin – und genießt nun sein Leben in Mitte.

Auf ein Weißwurst-Frühstück im bayerischen Biergarten um die Ecke hat Waldemar Hartmann keine Lust. Zu klischeehaft. Auch ein Fußballspiel der Landesliga will er nicht besuchen. Wäre heuchlerisch, findet er. Stattdessen schlägt Hartmann als Treffpunkt das Café Einstein Unter den Linden vor. Er kommt zu Fuß mit hochgerolltem Jeanshemd und Ray-Ban Sonnenbrille. Den Kellner begrüßt er mit Handschlag und nickt im Vorbeigehen ein paar Gästen zu.

Man kennt ihn hier, er fühlt sich sichtlich wohl. Hartmann bestellt Sprudel auf Eis, Eiskaffee und für später schon mal ein Stück Beerentorte. Dann legt er los und erzählt im fränkischen Dialekt von seinem neuen Leben.

Seit drei Jahren lebt der frühere Sportjournalist inzwischen in Berlin. So richtig scheint das aber kaum jemand mitbekommen zu haben. Dabei wohnt Hartmann mittendrin. Erst zweieinhalb Jahre am Leipziger Platz, jetzt am Hackeschen Markt. Seelenlose Kieze voller Touristen? Da sei schon was dran, gibt Hartmann zu, aber: „Hier ist richtig viel Leben drin.“

In der Schweiz war es ihm zu ruhig

Endlich wieder Trubel, das war ihm wichtig. 15 Jahre hat er im Schweizer Städtchen Chur das Gegenteil erlebt. Berge und Bodensee vor der Haustür. „Für mich war Chur ein Fluchtort, aber es wurde mir dort zu ruhig“, sagt Hartmann.

Nachdem er sich Ende 2012 im Streit mit der ARD getrennt hatte, sei sein Leben Stück für Stück langsamer geworden. „Ich habe teilweise auf mein Handy geschaut, um mich zu vergewissern, dass ich noch Netz habe.“ Hatte er. Trotzdem rief keiner an. „Von der Plötzlichkeit war ich überrascht.“ Keine leichte Erfahrung für Hartmann, der sich als „Rampensau“ bezeichnet und es gewohnt ist im Mittelpunkt zu stehen.

Ohne Abitur und Ausbildung eröffnet er 1969 mit 21 Jahren eine Kneipe in Augsburg, legt als DJ auf. Er gilt als bunter Vogel. Parallel beginnt er für die Lokalzeitung zu schreiben, wechselt später zum Bayerischen Rundfunk nach München, wo er alles wegmoderiert. Sein Markenzeichen: Keine Distanz, kumpelhafte Dialoge und Dauer-Duzerei. „Duz-Maschine“ nennen ihn Feuilletonisten abfällig. Beeindruckt hat ihn das nie.

Auch im Gespräch wird er immer wieder intim. Erzählt aus seiner Ehe und von Trinkexzessen allerlei Prominenter. Überhaupt die Prominenz: Schon nach zehn Minuten erzählt er von Begegnungen und Anekdoten mit Hertha-Manager Michael Preetz, Boxtrainer Ulli Wegner und Philipp Lahm.

Später berichtet er von Abenden auf Franz Josef Strauß’ Terrasse und dass Markus Söder aus Furcht vor ihm nicht Sportjournalist geworden sei. Zufrieden wirkt er dabei – aber nicht unsympathisch. Hartmann lebt von diesen Beziehungen, sein Netzwerk war immer seine Stärke.

Auch in Berlin spricht man ihn als "Weißbier-Waldi" an

Den ganz großen Ruhm verschafft ihm 2003 ein Interview mit dem damaligen Fußball-Bundestrainer Rudi Völler. Nach einem schwachen 0:0 der Nationalmannschaft in Island, echauffiert sich Völler über Kritik an seinem Team. Hartmann bekommt den ganzen Frust ab. „Du trinkst hier gemütlich deine drei Weißbier“, sagt Völler vollkommen in Rage. Es werden elf Minuten Fernsehgeschichte – und am nächsten Tag die Titelgeschichte der „Bild“-Zeitung, die Hartmann „Weißbier-Waldi“ tauft.

Waldemar Hartmanns Route durch Mitte.
Waldemar Hartmanns Route durch Mitte.

© Fabian Bartels/Tsp

Auch in Berlin werde er noch so angesprochen. Stört ihn nicht. „It’s part of the game“, sagt er und löffelt zufrieden die Sahne aus seinem Eiskaffee. Immerhin hat ihm der Wutausbruch zu einem Werbevertrag mit Paulaner verholfen und zu einem reichen Mann gemacht. Dabei hat er Weißbier nie getrunken, immer nur Wodka. „Dank Rudi Völler konnte ich mir meinen Rückzug leisten – und Berlin“, sagt er und lacht.

Auf den Alex traut er sich nachts nicht

Doch wieso überhaupt Berlin? Er, der sich selbst einen „Gesamtbayer“ nennt, bei den Preußen? „München war für mich auserzählt – und da bekommt man nach 22 Uhr ja nicht mal mehr eine Currywurst.“ Berlin sei eine „Übernacht-Entscheidung“ gewesen. Gezweifelt habe er nur einmal. „Als ich noch in der Schweiz im Tagesspiegel-Checkpoint las, wie schlimm diese Stadt sein soll, habe ich es mir schon nochmal überlegt.“

An den zynischen Ton hat er sich inzwischen gewöhnt. An andere Dinge nicht. „Zum Kottbusser Tor und zum Görlitzer Park muss ich nicht.“ Zu viel Kleinkriminalität. Auch auf den Alexanderplatz trauen er und seine Frau sich nach 20 Uhr nicht. „Das stört mich am Gesamtbild Berlins. Es gibt hier schon manchmal sehr viel Freiheit in die falsche Richtung. Es kann nicht sein, dass man da kapituliert.“

Auch deshalb seien bei der Wohnungssuche nur Tiergarten, Mitte oder Charlottenburg in Frage gekommen. Noch wichtiger: Dachgeschosswohnung und eine Tiefgarage – öffentliche Verkehrsmittel nutzt Hartmann nicht. „Am Leipziger Platz war es perfekt.“ Über ihm die finnische Botschafterin, unter ihm der Leiter der indischen Botschaft, die Adlon-Bar fußläufig erreichbar. Hartmann endlich wieder mitten drin.

„Hertha hat mein Herz nicht berührt“

Überhaupt verlässt er Mitte nur selten. Höchstens nach Charlottenburg an den Ku’damm zum Shoppen. Sein Tagesablauf? Ausschlafen, Zeitung lesen, Freunde treffen. Ab und zu ein Auftritt in einer Talkshow oder Promi-Pokern. „Ich lasse mich nicht mehr von Terminen treiben.“

Auch den Sport vermisse er nicht, ins Stadion gehe er kaum. Hertha-Spiele habe er anfangs ein paar Mal aus der VIP-Lounge seines Steuerberaters verfolgt, doch ihm fehlt die Stimmung im halbleeren Olympiastadion. „Hertha hat mein Herz nicht berührt“, sagt er. Auch zum Boxen, seiner zweiten großen Leidenschaft, geht er nicht mehr. „Ich kann mich nicht mehr begeistern.“ Und Eishockey? Wird in Friedrichshain gespielt – zu weit weg also.

Inzwischen ist der Eiskaffee ausgelöffelt, zur Beerentorte ist er nicht gekommen. Doch der Fotograf wartet bereits im Lustgarten. Auf dem Weg dorthin passiert Hartmann seine Nachbarschaft: Komische Oper, Humboldt-Universität, Deutsches Historisches Museum, Gorki-Theater, Staatsoper, Dom. Besucht hat er das alles nie. Immerhin auf die Museumsinsel wolle er nun bald. „Habe ich meiner Frau versprochen.“

"Müssen denn alle in Berlin wohnen?"

Seit Kurzem wohnt er am Hackeschen Markt. Am Leipziger Platz stand der Lückenschluss bevor, die Aussicht auf drei Jahre Baulärm bewegte Hartmann zur Wohnungssuche – und er wurde fündig. Penthouse, achter Stock, Tiefgarage und Blick auf die Spree. „Das ist wie Urlaub“, sagt er.

Als Gentrifizierer betrachtet er sich nicht. Dass am Hackeschen Markt den Bewohnern eines Altersheims die Vertreibung droht, weiß Hartmann nicht. Alten Menschen müsse es gut gehen, findet er. Beim Thema Wohnen aber brauche es notfalls unbequeme Entscheidungen. „Müssen denn alle in Berlin wohnen, wenn zehn Kilometer außerhalb in Brandenburg Dörfer verfallen?“

Am Lustgarten erkennen ein paar Touristen Hartmann, lassen ihn aber in Ruhe. Für das Foto nimmt er seine Sonnenbrille ab. Dann hat er noch einen Wunsch. Ein Foto an der Spree, gar nicht weit von seiner Wohnung. Dort steht er entspannt in der Sonne, zeigt auf die Schiffe und lächelt zufrieden. „Und Sie wollten wissen, warum ich mich hier wohl fühle?

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