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Zwei Bürgermeister schauen auf ihre Stadt. Nach zehn Jahren kommen Eberhard Diepgen (CDU) und Walter Momper (SPD) wieder zusammen.

© Kai-Uwe Heinrich

Momper und Diepgen: Zwei Bürgermeister schauen auf ihre Stadt

Eberhard Diepgen und Walter Momper: Zehn Jahre haben CDU und SPD in den neunziger Jahren zusammen regiert, dann trennten sie sich im Zorn. Jetzt versuchen sie es wieder miteinander.

Was haben Sie für ein Gefühl angesichts der derzeitigen Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU?

Momper: Das haben wir alles schon einmal erlebt.

Und Sie, Herr Diepgen? Schulterzucken?

Diepgen: Nein. Die Koalitionsverhandlungen laufen ja offensichtlich so, dass beide Partner wissen: Es muss zu einem Ergebnis kommen. Deswegen wird es auch ein Ergebnis geben. Und die Vereinbarungen werden hoffentlich so formuliert sein, dass sie anpassungsfähig sind an die politischen Veränderungen der nächsten fünf Jahre.

Sieben Wochen nach der Wahl war 1991 die Koalitionsvereinbarung fertig. Über welchen Punkt haben Sie am längsten verhandelt?

Momper: Das weiß ich gar nicht mehr. Es war einfach ein schwieriger Prozess bei der SPD – bei der CDU nicht so –, weil die Enttäuschung über die Wahlniederlage und das Ende von Rot-Grün so groß war. Jetzt ist es ja auch nicht gerade die Lieblingsoption der Berliner SPD gewesen, wie man weiß. Aber die Verhältnisse sind so. Ein Fünf-Fraktionen-Parlament hat eben andere Erfordernisse. Da kann es zu dieser und zu jener Koalition kommen.

Diepgen: Es gab damals einen entscheidenden Unterschied zur heutigen Entwicklung: Es gab keine Alternative zur Regierungsbildung zwischen Union und SPD. Es war 1991 ein Tabu, mit der PDS zusammenzuarbeiten. Für lange Zeit galt das Prinzip: CDU plus PDS gleich Mehrheit. Was bedeutete, es gibt immer eine Regierungsbeteiligung der CDU. Und die stärkste Partei – CDU oder SPD – stellte dann den Regierenden Bürgermeister. Das war die Ausgangsposition.

Sie haben viele Stunden zusammengesessen und geredet. Wie hält man sich fit in so langen Gesprächen?

Momper: Das meiste ist damals bei den Verhandlungen schon auf unseren Schultern liegen geblieben – besonders, wenn es kritisch wurde. Und man will dann auch irgendwann ein Ergebnis haben. Natürlich gab es Ermüdungserscheinungen. Da hatte man es einfach satt, das Ganze noch mal durchzugehen – bei mir war das jedenfalls so. Und dann muss alles ja auch noch in der eigenen Partei durchgesetzt werden – in der anderen natürlich auch.

Und dann sagt man: Jetzt machen wir das einfach so.

Diepgen Ich glaube, bei allen Schwierigkeiten der Ausgangssituation, die durch die zwei Jahre davor bestimmt waren, herrschte die Grunderkenntnis der gegenseitigen Rücksichtnahme. Ich kann mich nur an eine – nicht kritische, aber emotionale – Aufwallung bei Walter Momper erinnern. (Momper räuspert sich) Es war, als vom Bundesfinanzminister…

...Theo Waigel, CSU…

Diepgen…die Berliner Koalitionsverhandlungen gestört wurden durch finanzpolitische Aussagen, die im Widerspruch standen – da waren wir hier völlig einer Meinung – zu den Zusagen, die der Bundeskanzler…

...Helmut Kohl, CDU...

Diepgen: … vorab gegeben hatte. Kann man denn überhaupt, so Walter Momper, mit einer Partei, die auf der Bundesebene so wortbrüchig ist, verhandeln? Sorgt mal gefälligst dafür, dass die Bundespartei ihr Wort hält. Das war meiner Ansicht nach die emotionalste Phase. (Momper lacht) Da ging es schlicht und ergreifend um die Finanzen: um die Berlin-Hilfe, die Berlinförderung, um die Frage, ob die Verpflichtung des Bundes zum Ausgleich des Berliner Haushaltes für ganz Berlin gilt. Das war der Ausgangspunkt für alle anderen konkreten Planungen.

Momper: Die Ausgangslage vor zwanzig Jahren war einfach eine andere. Die deutsche Einheit war hergestellt. Jetzt galt es, einen Erfolg daraus zu machen, das alles zusammenzuführen. In den Monaten seit dem 9. November 1989 waren ja nur die dringendsten Dinge erledigt worden. Von daher herrschte schon ein Aufbruchsgefühl – Aufbruchsstimmung will ich nicht sagen, vermutlich bei uns beiden sowieso nicht. Eine Aufbruchsstimmung in dem Sinn: Jetzt muss es angepackt werden und muss ein Erfolg werden. Und es war natürlich auch ein Gefühl großen Glücks – das darf man ja auch nicht vergessen. Auch von daher war das anders. Und man muss dazu sagen, dass die beiden großen Volksparteien damals noch etwas größer waren, als sie es heute sind. Ich meine: Was war an den politischen Verhältnissen damals normal? Nichts! Es war alles außergewöhnlich, ungewöhnlich, neu. Die Aufgaben waren ziemlich groß – das hatten wir zu dem Zeitpunkt schon gemerkt. Wie groß sie nachher wirklich werden würden, wie schwierig, kompliziert, wie mühevoll im Einzelnen, das haben wir damals nicht so gewusst, höchstens geahnt. Von daher war es eine andere Situation. Und es gab keine Alternative zur großen Koalition.

Diepgen: Es gab auch bei den Sachthemen wenig Alternativen. Die gemeinsame Verwaltung in der Stadt musste aufgebaut, die Verkehrsinfrastruktur hergestellt werden. Dabei konnten noch keine Einzelentscheidungen getroffen werden, weil die Vorarbeiten noch zu leisten waren. Ich denke an die Planung des Hauptbahnhofs beispielsweise. Die Grundentscheidung hinsichtlich der Flughafen-Planung ist getroffen worden, die Entscheidung über das Zusammenwachsen der S-Bahn. Die Frage, wie passiert das mit den Schulen? Wie gelingt es, die Vielfalt abzusichern? In vielen Punkten gab es nur wenig Raum für ideologischen Streit. An der Basis beider Parteien wurde zwar immer wieder versucht, den zu schüren, aber in der Koalitionsvereinbarung und in den einzelnen Formulierungen war er minimiert worden. Das war übrigens auch das Grundproblem der Arbeit in der nachfolgenden Regierungszeit.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Momper und Diepgen nur selten in die Koalitionsvereinbarungen hineingeschaut haben.

Eberhard Diepgen: "Ich erinnere mich, dass ich in die verschiedenen Koalitionsverträge nur selten hineingeschaut habe."
Eberhard Diepgen: "Ich erinnere mich, dass ich in die verschiedenen Koalitionsverträge nur selten hineingeschaut habe."

© Kai-Uwe Heinrich

Walter Momper. Es wird wieder so sein wie damals; Den ersten Streit gibt es dort, wo ihn niemand erwartet.
Walter Momper. Es wird wieder so sein wie damals; Den ersten Streit gibt es dort, wo ihn niemand erwartet.

© Kai-Uwe Heinrich

Warum? Weil die Koalitionsvereinbarung so konfliktfrei formuliert war?


Diepgen: Nein, das wäre zu einfach formuliert. Die Hauptprobleme entstanden, erstens, weil der Finanzrahmen immer enger wurde und deshalb Prioritätenentscheidungen getroffen werden mussten. Und, ich weiß nicht, ob Walter Momper das genauso sieht, zweitens: In der SPD wurde in der Folgezeit das Wahlergebnis immer als eine historische Fehlentscheidung begriffen, von dem einen oder anderen…

Momper: Das war weit verbreitet!

Diepgen: Und das hat in den Punkten, wo man traditionell oder aufgrund der gepflegten Vorurteile Unterschiede sah, die Regierungsarbeit ein wenig erschwert. Aber bei den Grundentscheidungen, in den wesentlichen Punkten, gab es viel Übereinstimmung. Das sehen Sie ja auch daran, dass die Planung-, die Grundentscheidungen für die Stadt, in den Jahren 1991 bis 1995/96 getroffen worden sind. Bei den Kernproblemen gab es am wenigsten Ärger – meist nur bei den Petitessen. Das war für die Beteiligten aufregend und für die Journalisten eine Freude.

Momper: Eins möchte ich dazu noch sagen. Heute werden ja immer dicke Papiere geschrieben. Das hat mit Rot-Grün begonnen. Die enthalten nicht, was eine Koalitionsvereinbarung enthalten muss: ein paar Programmpunkte für die Stadt und den Willen, zusammenzuarbeiten. Eine Koalition ist ja eigentlich die Erklärung von zwei Parteien, zusammenarbeiten zu wollen. Und dann muss man versuchen, ein paar absehbare Konfliktpunkte zu regeln, so gut es in der Vorausschau geht. Heute ist es so, dass immer Riesenprogramme geschrieben werden. Dafür haben die Grünen gesorgt durch ihren Eintritt in die Politik: dass immer alles geregelt wird, das Arbeitsprogramm, das Komplettprogramm und möglichst alles andere auch. Und das ist eigentlich Quatsch. Wenn man gemeinsam regieren will, muss man auf den verschiedenen Etappen des Regierens fortlaufend irgendwelche Kompromisse schließen oder versuchen, sich zu verständigen, manchmal von verschiedenen Grundpositionen aus.

Haben Sie sich später im Streit gegenseitig die Koalitionsverhandlungen vorgelesen?

Momper: Ich kann mich nicht daran erinnern.

Diepgen: Ich bin ganz zurückhaltend mit meiner Antwort, weil ich niemanden bei den laufenden Koalitionsverhandlungen provozieren möchte. Aber ich erinnere, dass ich in die verschiedenen Koalitionsvereinbarungen selten hineingeguckt habe. Weil man immer vor dem Hintergrund der aktuellen, veränderten Situation neue Entscheidungen treffen musste.

Momper: Die Konflikte, die es damals in der Großen Koalition gegeben hat, etwa über den Verfassungsschutz – das waren neue Konflikte. Die hat kein Mensch vorausgesehen – und die konnte auch kein Mensch voraussehen.

Diepgen: Ein gutes Beispiel. Das war eine wirkliche Petitesse mit erheblichen Rückwirkungen, auch im persönlichen Bereich zwischen einzelnen Senatsmitgliedern. Ein persönlicher Referent eines Senators…

...Innensenator Dieter Heckelmann...

Diepgen: hatte einen Artikel in einer Zeitschrift geschrieben – war es nicht die „Junge Freiheit“? Die Eignung zur Führung des Verfassungsschutzes durch die Innenverwaltung wurde bezweifelt. Das war jedenfalls, Entschuldigung, richtig albern. Aber weil sich Verantwortungsträger der SPD so weit herausgehängt hatten und nicht im Regen öffentlicher Häme stehen gelassen werden konnten, gab es wegen der Koalitionsräson Konsequenzen. Ich wurde für den Verfassungsschutz zuständig. Herrn Heckelmann grämt das – glaube ich – noch heute.

Momper: Ein typisches Beispiel, dass nichts voraussehbar ist.

Diepgen: Und es war auch wirklich nicht der Kernpunkt der Regierungsarbeit.

Lesen Sie auf Seite drei, wie die Konflikte in der großen Koalition im "Seelsorgegespräch" gelöst wurden.

Wie haben Sie Konflikte gelöst? Vier-Augen-Gespräche? Am Telefon? Persönlich?

Momper: Das meiste wurde im Senat geregelt, damit hatte ich als Landesvorsitzender nichts mehr zu tun. Was aber wirklich ein harter Konflikt war – und auch in der SPD zu einem Konflikt wurde –, war die Mehrwertsteuererhöhung. Die Bundesregierung wollte sie – und die SPD-Senatoren haben das mitgetragen.

Was macht man, wenn es richtig problematisch wird? Telefoniert man? Trifft man sich?

Diepgen: Das kommt ganz darauf an. Das meiste klärt man im Seelsorgegespräch. Probleme gibt es, wenn Sachprobleme über parteipolitische Schienen zur Profilierung genutzt werden.

Momper: Das kann es in einer Partei aber auch geben.

Diepgen: Das muss man dann ausgleichen. Dramatisch wird es, wenn Koalitionsausschüsse einberufen werden müssen. Mit aller Zurückhaltung sage ich: Meist ist es der öffentliche Druck und die Lust an einem streitigen Thema, dass irgendeiner erklärt: Jetzt muss der Koalitionsausschuss ran! Der muss dann nicht nur das Sachproblem entscheiden, sondern auch noch die Eitelkeiten der Beteiligten berücksichtigen.

CDU und SPD haben zehn Jahre miteinander regiert – dann mussten sie sich zehn Jahre voneinander erholen. Warum hat die große Koalition von damals so einen schlechten Ruf?

Momper: Jedenfalls in der SPD hat sie einen schlechten Ruf. Im Lauf der zehn Jahre gewannen die Sozialdemokraten den Eindruck, dass Teile der CDU nicht zur Sache stünden. Wenn es verabredet war, kenne ich einige, die sich ganz schnell abgeseilt haben und die SPD haben hängen lassen. Das macht bis heute das tiefe Unbehagen und die schroffe Ablehnung der Koalition mit der CDU aus.

Diepgen: Ich sehe das ein wenig anders. Die CDU als sozial engagierte Großstadtpartei ließ der SPD wenig Luft. Kernpunkt ist meiner Ansicht nach: Die SPD hat in der großen Koalition in ihrer Entwicklung mit Blick auf ihre Resonanz in der Stadt keine guten Erfolge gehabt…

Momper: Das auch!

Diepgen: Vereinfacht ausgedrückt: Die Union war bei den letzten Wahlen in der Zeit der großen Koalition zu erfolgreich. Die CDU hatte über 40 Prozent, die Sozialdemokratie unter 25.

Momper: Ganz so schlimm war es nicht – aber unter 30 Prozent.

Diepgen: Da wollte man aus diesem Gefängnis raus und nutzte dafür jedes Instrument. Die Zusammenarbeit im Senat war bis zuletzt eigentlich ganz gut. Probleme gab es dann immer stärker mit der Basis der Sozialdemokratie und mit der Fraktion. Außerdem kamen nach den wesentlichen Entscheidungen am Anfang der 90er Jahre die Mühen des Alltags. Die waren bei den ständigen Umstellungsschwierigkeiten weniger faszinierend.

Momper: Es gilt für Koalitionen der beiden großen Volksparteien: Der Zweite in der Koalition will immer der Erste werden. Das ist der springende Punkt. Die Partei, die den Regierenden stellt – dafür ist Herr Diepgen das beste Beispiel – liegt immer vorne, wenn sie nicht grobe Fehler macht. Von daher war die Enttäuschung der SPD bei jeder Wahl groß. Und es wurde immer schwieriger, die Koalition zusammenzuführen. 1995 gab es mittlere Schwierigkeiten…

Diepgen: Und ’99 war es besonders schwierig.

Lesen Sie auf der nächste Seite, welche Koalition Momper und Diepgen vor der aktuellen Wahl erwartet haben.

Welche Koalition haben Sie vor dieser Wahl erwartet?

Momper: Dass es knapp werden würde in der ein oder anderen Form, war offenkundig.

Diepgen: Ich kann mich an keine Wahl erinnern, wo ein Spitzenkandidat oder eine Spitzenkandidatin mit dem großen Anspruch, stärkste politische Kraft und Regierender Bürgermeister zu werden, zehn Tage vor der Wahl die Kapitulation erklärt – nicht in Anbetracht des politischen Gegners, sondern vor dem Hintergrund der eigenen Partei.

Sie meinen Frau Künast.

Diepgen: Deswegen kann ich Ihre Frage nur mit zeitlichen Versetzungen beantworten. Nach dem genannten Vorgang war schon klar, dass das Vertrauen in die Kontinuität und Verlässlichkeit einer rot-grünen Koalition in Zweifel stehen wird.

Momper: Das sehe ich auch so.

Was dachten Sie, als sie hörten, dass die Grünen die Koalitionsverhandlungen am Weiterbau der A100 scheitern lassen?

Momper: Ich saß im Plenum des Abgeordnetenhauses, als Volker Ratzmann vor der Wahl erklärte, das Ende der A100 sei – und das hat er in einer Schärfe gemacht! – unabdingbar! Da haben alle ziemlich blöd geguckt, haben gesagt, was soll denn das nun werden? Und: Das kann ja lustig werden.

Diepgen: Die Basis der Grünen hat mit dem Thema A100 die Sorge bestätigt, die offenbar der Regierende Bürgermeister hat. Dass eine noch in den Kämpfen des alten West-Berlin verfangene Basis der Grünen erhebliche Schwierigkeiten machen kann. Ich rede ausdrücklich nicht von der Wählerschaft der Grünen, sondern von der Kreuzberger Basis.

Momper: Sie, Herr Diepgen, sprachen ja von dem Katalog der Aufgaben damals – die Infrastruktur. Auch heute geht es darum, dass die Infrastruktur der Stadt ausgebaut oder offengehalten werden kann, etwa eine dritte Landebahn für Schönefeld, wenn sie denn hoffentlich mal erforderlich ist, auch gebaut werden kann. Dass man sich darüber einig ist – oder über die Stadtautobahn. Und das ist schon ein Problem, dass vorausschauende Strukturpolitik mit den Grünen schwer zu machen ist. Keine neue Erfahrung – aber sie hat sich hier auch wieder bestätigt. Wenn das so apodiktisch schon an einem Punkt im Vorhinein festgelegt ist, kann ich nur sagen: Dann geht es eben nicht.

Diepgen: Diese Problematik hat dazu geführt, dass ich 1991 wieder Regierender Bürgermeister werden konnte.

Momper: (lacht) Dem ist nicht zu widersprechen. Es gab noch mehr Gründe, aber…

Frau Künast hat einen Teil der Themen von 1990 in diesen Wahlkampf wieder eingeführt: Flugverkehr, das Hahn-Meitner-Institut, Individualverkehr.

Momper: Ja, ja, das ist richtig… Man muss einfach sagen: Volksparteien ticken da anders. Infrastruktur, Arbeitsplätze – das spielt eine ganz große Rolle. Und die Grünen sind da teilweise völlig unempfindlich.

Worüber wird es den ersten Streit geben?

Diepgen: Falls ich was ahnen würde, würde ich es Ihnen nicht sagen.

Momper: Es wird wieder so sein wie in der alten großen Koalition: dass es an Punkten entsteht, die kein Mensch vorausgesehen hat, voraussehen konnte, und eher durch Verhaltensweisen.

Herr Momper, Sie wollten dem Senat damals nicht angehören. Was meinen Sie: Soll Frank Henkel Senator werden – oder Fraktionschef und Landeschef bleiben?

Momper: Mir ist die Entscheidung damals abgenommen worden, in den Senat zu gehen. Es gab eine Riesendiskussion in der Fraktion, dann ist das so entschieden worden. Der zweite Punkt: Herrn Henkel von außen Ratschläge zu geben, würde ich für unangemessen halten. Das hängt von vielen Erwägungen ab. Wie gesagt, die Nummer zwei will immer die Nummer eins werden. Da muss sie sehen, wie sie sich dafür optimal aufstellen kann. Anders gesagt: Mich würde es wundern, wenn Frank Henkel nicht in den Senat ginge.

Was sagen Sie, Herr Diepgen?

Diepgen: Ich teile die Auffassung von Walter Momper. Davon abgesehen, dass man Ratschläge von außen dabei nicht gibt, kann man sie überhaupt erst geben, wenn die Verabredungen über die Ressortaufteilung näher gerückt sind.

Momper: Als Wunsch würde ich äußern, dass der stärkste Mann des Koalitionspartners in den Senat geht. Weil es einfacher ist. Das nutzt ja beiden Seiten und der Sache insgesamt.

Diepgen: Und der Fraktionsvorsitzende muss loyal an positiven Ergebnissen der Senatsarbeit interessiert sein. Auch das gehört dazu.

Eberhard Diepgen war von 1984 bis zum Januar 1989 Regierender Bürgermeister. Dann verlor der CDU-Mann eine Wahl. Als die Mauer fiel und das Bürgermeisteramt zu den spannendsten Jobs der Welt gehörte, war Diepgen nur Oppositionschef. Mit einem weiteren Wahlerfolg begann 1991 seine große Zeit als Bürgermeister der wiedervereinigten Stadt. 2001 verlor Diepgen sein Amt über den Bankenskandal.

Walter Momper wurde als Mann mit dem roten Schal berühmt, im Winter 1989/90, als alle Welt auf Berlin blickte. Fast nebenbei führte der Regierende Bürgermeister der Einheit den ersten rot-grünen Senat- Als er im November 1990 Hausbesetzern in Friedrichshain die Polizei auf den Hals schickte, schieden die Grünen im Streit aus der Koalition aus. Momper führte die SPD daraufhin in eine große Koalition.

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