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Berlin: Mordfall Claudia K.: "Er wird sich schon wieder beruhigen"

Könnte Claudia K. noch leben, wenn ihre Angst und Not von den Behörden, insbesondere der Polizei, ernst genommen worden wären?

Könnte Claudia K. noch leben, wenn ihre Angst und Not von den Behörden, insbesondere der Polizei, ernst genommen worden wären? Die 29-jährige Frau aus Reinickendorf wurde am Donnerstag, dem 21. Dezember von ihrem Ex-Freund erst verschleppt und dann erschossen. Der Mann, unter dem Claudia K. seit etwa zwei Jahren litt, packte die Leiche in den Kofferraum ihres Wagens. Am darauf folgenden Freitagvormittag wurde das Auto, in dem noch immer die Leiche lag, am Martin-Wagner-Ring in Britz gefunden. Der Täter hatte sich in der nahe gelegenen Wohnung einer Bekannten selbst getötet.

Spätestens seit vergangenem Juli war der Polizei bekannt, dass Claudia K. Angst vor ihrem brutalen Ex-Freund hatte. Damals hatte er ihre Katze aus ihrer Wohnung entführt. Zwar gelang es Claudia K. mit Hilfe einer Freundin, das Tier unbeschadet zurückzuholen; die spätere Anzeige bei einer Polizeidienststelle aber empfanden die beiden Frauen als Tortur.

Als Claudia K. ihre gesamte Leidensgeschichte berichtete, sei ihr von einer uninteressiert erscheinenden Polizistin lediglich gesagt worden: "Warum haben Sie sich denn nicht schon früher von dem Mann getrennt? Machen Sie ein neues Schloss in die Tür. Er wird sich schon wieder beruhigen." So zitiert die Freundin die Beamtin. Der Mann, 41 Jahre alt, schlug Claudia K. und drohte sogar, ihren Eltern etwas anzutun, falls sie ihn verlasse. Die erhoffte Hilfe durch die Polizei blieb aus. Den beiden verzweifelten Frauen wurden keine Organisationen und keine Adressen genannt, bei denen ihnen weitergeholfen werden konnte. Dabei sollte zumindest die kleine Polizei-Broschüre überreicht werden, in denen unter anderem auch die Anlaufstellen für Opfer häuslicher Gewalt verzeichnet sind.

Allein gelassen von der Behörde, griffen Freundinnen und Familie von Claudia K. zur Selbsthilfe, um sie vor dem unberechenbaren Ex-Freund zu schützen. Wochenlang wohnte sie bei einer Freundin, unternahm keinen Schritt allein. Claudia K. erwirkte eine einstweilige Verfügung, nach der der gewalttätige Ex-Freund ihr nicht näher als 30 Meter kommen durfte. Aber ihr war auch klar: "Wenn der mich kriegen will, dann kriegt er mich." Seine Drohung war ihr ständig gegenwärtig: "Claudi - wenn du schon gar nicht mehr dran denkst, dann werde ich dich kriegen."

Claudia K. lebte über Monate in Angst. Ein weiterer Versuch, bei der Polizei Gehör zu finden, scheiterte wie der vorherige: "Frau K., Sie leben noch", sagte ihr eine Polizistin, wie die Freundin berichtet, die noch immer nicht begreifen kann, was geschehen ist. Um ihre Angst loszuwerden, suchte Claudia K. psychotherapeutische Hilfe. Aber auch bei einem Psychiater fand sie laut ihrer Freundin nicht die benötigte Unterstützung und erhoffte Therapie. Der Psychiater sei in Urlaub gefahren und habe sie vier Wochen auf sich allein gestellt zurückgelassen.

Doch halbwegs normalisierte sich das Leben von Claudia K. Sie kehrte in ihre Wohnung zurück, wo zunächst noch ihr Bruder über ihre Sicherheit wachte. Sie lernte einen neuen Partner kennen und ihr Leben begann, langsam angstfrei zu werden.

Vermutlich hat sich der stark angetrunkene Täter am Donnerstagmorgen von der Frau, in deren Wohnung er sich schließlich auch tötete, nach Reinickendorf fahren lassen, der Führerschein war ihm bereits vor längerer Zeit abgenommen worden. Vor ihrer Wohnung passte er Claudia K. ab, als sie sich auf den Weg zu ihrer Arbeitsstelle machte. Er entführte sie in ihrem eigenen Auto. Was zwischen dem Zeitpunkt der Entführung und dem Auffinden des Wagens mit der Leiche geschah, ist unklar. Die Freunde von Claudia K. wollen es auch gar nicht wissen, denn dann würden sie womöglich mit den Leiden und Qualen, die sie durchzustehen hatte, konfrontiert.

Als Claudia K. am Abend nicht wie gewohnt nach Hause zurückkehrte und Freunde und Angehörige Vermisstenanzeige erstatteten, wurden sie erneut mit der bürokratischen, kalten Routine der Polizei konfrontiert: "Hören Sie, die Frau ist 29. Was wollen Sie eigentlich?"

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