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Trauer um Johanna Hahn. Sie war erst 22, als sie von den Rasern getötet wurde.

© Paul Zinken/dpa

Mordprozess in Berlin: Todesraser gibt Beifahrer die Schuld

Nach dem Tod einer 22-Jährigen steht ein Raser vor Gericht – wegen Mordverdachts. Er war auf der Flucht vor der Polizei mit Tempo 160 durch Berlin gerast.

Sie wollen hören, wie es zu dem Unfassbaren gekommen ist – warum ihre geliebte Tochter, Schwester, Enkeltochter, Nichte und Freundin im Alter von 22 Jahren sterben musste. Johanna Hahn schob ihr Fahrrad auf dem Bürgersteig, als sie von einem Raser tödlich erfasst wurde. Die drei Insassen im Auto waren auf der Flucht vor der Polizei. Sie hatten Beute im Wert von rund 300 Euro dabei. Milinko P. aber habe „um jeden Preis“ entkommen wollen, befindet die Anklage. Mit bis zu 160 Stundenkilometern. Am Dienstag aber schiebt er die Schuld auf seinen Beifahrer, der damals im Juni ebenfalls tödlich verletzt worden war.

In blauer Gefängnis-Kleidung saß der aus Serbien stammende P. am ersten Prozesstag vor dem Landgericht. Die Anklage lautet auf Mord. P. sah nicht auf zu den Nebenklägern auf der anderen Seite des Saales. „Bis heute kam keine Entschuldigung von ihm“, sagte Anwalt Gregor Gysi, der die Eltern und Geschwister von Johanna Hahn vertritt. „Der Familie geht es furchtbar“, sagte der Linken-Politiker weiter. Auch er kannte die Studentin. Sie war eine Mitschülerin seiner Tochter. Johanna sei eine junge Frau gewesen, „die sich für alle Benachteiligten egal welcher Nationalität eingesetzt hat“. Sie studierte Soziale Arbeit.

"Er gab die Anweisungen"

Der 27-jährige P. sowie zwei serbische Brüder im Alter von 18 und 14 Jahren sollen laut Anklage am Abend des 6. Juni einen Kleintransporter aufgebrochen haben. Zivilpolizisten hätten beobachtet, wie das Trio in der Westfälischen Straße in Wilmersdorf neun Werkzeugkoffer stahlen und in einen hellen Audi luden. Als die mutmaßlichen Diebe abfuhren, nahmen die Fahnder die Verfolgung auf.

Der Angeklagte fuhr den Fluchtwagen. Sein 18-jähriger Verwandter Danijel I. habe ihn darum gebeten, ließ er nun über seine Verteidiger erklären. Er selbst sei nur auf der Durchreise in Berlin gewesen, habe keinen Diebstahl geplant. „Aber ich sollte Geld bekommen.“ Danijel habe den Transporter aufgebrochen. "Er gab die Anweisungen.“ Plötzlich seien sie von einem Auto überholt worden. „Männer in Zivil sprangen aus dem Wagen“, sagte der Angeklagte. „Mafia!“ habe Beifahrer Danijel geschrien und ihn angetrieben.

Milinko P. will nicht erkannt haben, dass ihnen die Polizei dicht auf den Fersen war. Er will auch nicht gesehen haben, dass er in eine Tempo-30-Zone raste. Er weiß angeblich nicht, wie schnell er durch die City West raste. Als sie dann an der Kant-, Ecke Windscheidstraße auf eine für ihn rote Ampel zufuhren, habe Danijel I. ein noch höheres Tempo gefordert. „Er drückte auf mein Bein, der Motor heulte auf“, sagte der Angeklagte. „Ich habe nicht gemerkt, dass eine Frau getroffen wurde.“ Es tue ihm sehr leid.

Ihm war egal, wer oder was auf der Strecke blieb

Eine wilde Fluchtfahrt, die für die Polizei kurz vor dem dramatischen Ende unter Kontrolle schien. Kurz vor dem Stuttgarter Platz blockierten die Polizisten zusammen mit alarmierten Kollegen und deren Autos den Fluchtwagen. Eingekeilt von drei Wagen. Ein Beamter stieg aus und ging auf den Audi zu. Doch P. habe plötzlich Gas gegeben. Er habe dabei einen Polizisten in lebensbedrohlicher Weise zwischen zwei Wagen eingeklemmt.

Nachdem das Fluchtauto die Polizeisperre durchbrochen hatte, gab P. Gas. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass ihm egal war, wer oder was auf der Strecke blieb. Er habe alles aus dem Weg räumen wollen, das ihn an der Flucht behinderte. Tödliche Folgen der Fahrt habe er zumindest billigend in Kauf genommen. „Das machen wir an der Geschwindigkeit fest“, sagte Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Dorsch. Mit Tempo 80 bis 160 sei P. in die Kreuzung gerast.

Für Johanna Hahn kam an diesem Tag jede Hilfe zu spät. Sie verstarb noch am Unfallort. Verletzt wurden ein Polizeibeamter und zwei Autofahrerinnen, deren Wagen Milinko P. gerammt hatte. Auch die mutmaßlichen Diebe wurden verletzt. Der 18-Jährige so schwer, dass er wenig später im Krankenhaus starb.

Die Verteidiger werden das Verhalten der Polizisten wohl zu einer zentralen Frage dieses Mordprozesses machen. Schließlich behauptet ihr Mandant, er habe aus „Angst vor der Mafia“ Gas gegeben. Auch die Nebenklage will Klarheit. Tatsächlich müsse man darüber nachdenken, warum die Beamten die immer schneller werdenden Diebe verfolgt hätten, sagte Gysi. „Und warum ohne Blaulicht und Sirene.“ Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.

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