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Justizia.

© Helmut Vogler

Mordprozess in Brandenburg: Das Skelett im Brunnen

Vor zwei Jahren fanden zwei Männer auf ihrem Grundstück die Überreste eines ehemaligen Bewohners. Dessen mutmaßlicher Mörder steht jetzt vor Gericht.

Der Sommer 2015 war heiß, das Grundwasser niedrig. Eine günstige Gelegenheit, um endlich den Brunnen auf dem Grundstück im uckermärkischen Schönermark zu reinigen. Dieses hatte der Sohn von Rainer P. im Herbst 2009 gemietet. Das Wasser war abgepumpt, als der Junior in den sechs Meter tiefen Schacht stieg, ausgerüstet mit Eimer und Harke. Mit dieser förderte er eine Schilfmatte zutage, danach einen Müllsack mit Kleidung und einer Decke.

Als Nächstes blickten die beiden Männer auf Rippenknochen und einen Unterkiefer. „Ich dachte immer noch an einen Hund“, sagte Rainer P. vor dem Landgericht Neuruppin, wo am Mittwoch der Prozess gegen den 34-jährigen Meik E. begann: Vater und Sohn hatten auch einen menschlichen Schädel entdeckt und die Polizei geholt.

Habgier und niedere Beweggründe

Monate später stand fest, dass die Brunnenreiniger auf die Überreste von Maik P. gestoßen waren. Niemand hatte den 24-jährigen Sonderpostenmarkt-Betreiber als vermisst gemeldet. Seine Eltern hatten die Echtheit der Postkarten aus Südeuropa nicht bezweifelt, in denen ihr Sohn ihnen mitgeteilt hatte, dass es ihm gutgehe, er aber nichts mehr mit ihnen zu tun haben wolle.

Nach dem Skelettfund befasste sich die Polizei mit den Bewohnern, die das Grundstück im Sommer 2009 mit Mietrückständen verlassen hatten: zwei Frauen sowie Toni P. und Meik E., der ehemalige Lebensgefährte und Geschäftspartner des Getöteten.

Im Januar 2017 wurde Meik E. verhaftet. Er soll laut Anklage im Juni 2009 aus Habgier und niedrigen Beweggründen gemordet haben: Nachdem einige Monate zuvor die Beziehung der beiden Männer geendet hatte, soll der Angeklagte finanzielle Einbußen befürchtet haben, weil ihn das Opfer nicht mehr am Geschäft mit den Sonderposten beteiligen wollte. Anschließend soll er P.s Konto geräumt und mit dessen Auto gefahren sein, das er ein Jahr später verkaufte.

Ein 100-Kilo-Deckel auf dem Brunnen

Der Angeklagte schwieg am ersten Verhandlungstag. Dafür sprachen seine beiden Verteidiger. Sie bezogen sich auf die Aussage des Zeugen Jan R. Dieser Alkohol- und Drogenabhängige hatte zwei Wochen lang mit Toni P. in einem Neustrelitzer Obdachlosenheim gewohnt. Zusammen sollen sie zwei räuberische Erpressungen begangen haben. „Das wüsste ich, wenn Toni mit so einer Sache zu tun gehabt hätte“, gab Jan R. gegenüber der Polizei an. „Der hat mir ganz andere Sachen erzählt“ – nämlich den Mord.

Aus Eifersucht habe Toni P. sein Opfer mit einem stumpfen Gegenstand gegen den Kopf geschlagen. Maik P. sei blutüberstömt auf dem gemeinsam bewohnten Grundstück zusammengebrochen. Toni P. wollte den Toten zunächst auf die Straße oder ein Feld legen, um einen Unfall vorzutäuschen. Schließlich warf er die Leiche in den Brunnen, dessen Deckel fürchterlich schwer gewesen sei. Diese Aussage stützte gestern Rainer P., der dem Gericht von einem 100 Kilogramm schweren Halbstein berichtete, der bis 2009 auf dem Brunnen gelegen habe.

"Echtes Täterwissen"

Die Staatsanwaltschaft mochte der entlastenden Aussage bislang nicht folgen: Jan R. sei süchtig, außerdem habe er sich bei einer späteren Aussage in Widersprüche verwickelt. Zudem gebe es auf den Postkarten an die Eltern des Toten Spuren, die auf den Angeklagten deuten.

Die Verteidigung dagegen spricht von „echtem Täterwissen“, welches Jan R. zitiert hätte und stellte den Antrag, dessen Aussage von einem Gutachter prüfen zu lassen. Darüber will das Gericht beraten.

Der Anwalt der Eltern von Maik P. sagte, dass seine Mandanten nur erfahren wollen, wie ihr Sohn starb – selbst wenn das bedeutet, dass der Angeklagte freigesprochen wird und der wahre Täter nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden kann: Toni P. starb vier Wochen vor der Brunnenreinigung eines nicht natürlichen Todes.

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