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© Kai-Uwe Heinrich

''Morgenland'': Umstrittene islamische Kita in Wedding eröffnet

Die Genehmigung wurde nur unter Auflagen erteilt, denn der Initiator stand im Verdacht, Extremisten nahe zu stehen: In Wedding ist eine islamische Kita in Betrieb genommen worden, über die hitzig diskutiert wird.

Von Sandra Dassler

Zu Jahresbeginn hatte es heftige Kontroversen in der Öffentlichkeit gegeben – jetzt wurde die umstrittene islamische Kindertagesstätte in der Brunnenstraße in Wedding nahezu unbemerkt in Betrieb genommen. „Wir haben am 19. Mai eröffnet und betreuen neun junge Menschen“, sagte Michael W. gestern dem Tagesspiegel. Er ist der 1.Vorsitzende des Vereins „Morgenland“, der die Kita betreibt.

Zuvor hatten Recherchen des RBB-Inforadios Berlin-Brandenburg ergeben, dass das Landesjugendamt die Betriebsgenehmigung für die Kita erteilt hatte. Diese sei zunächst verweigert worden, weil der damalige Vorsitzende des Vereins „Morgenland“, Sinan W., im Verdacht stand, mit Islamisten zu sympathisieren. Der heute 24-jährige Deutschtürke hatte bis zum Jahr 2004 im Internet Texte mit volksverhetzenden Inhalten veröffentlicht.

Wörtlich heißt es in einem Gedicht aus dem Jahre 2003: „Hüte unsere Schwestern, hüte unsere Brüder, hüte unsere Kinder, denn Juden töten sie viel lieber.“ Über „Ungläubige“ hieß es, sie seien „lästige Mücken“. Der vollständige Text liegt dem Inforadio vor. 2004 schaltete der Verfassungsschutz die Internetseiten ab. Sinan W. soll damals der islamistischen Partei „Hizb-ut-Tahrir“ nahe gestanden haben. Sie ist in Deutschland seit 2003 verboten. Die Gruppierung tritt für einen Gottesstaat ein, den sie mit Gewalt errichten will, und fordert die Zerstörung Israels.

Sinan W. hat seine damaligen Kontakte zur „Hizb-ut-Tahrir“ auf Nachfrage des Landesjugendamtes eingeräumt, das durch ein CDU-Mitglied aus Wedding auf die antisemitischen Texte aufmerksam gemacht worden war.

In einem Interview sagte er, dass er bei einer Irak-Konferenz in der Mensa einer Berliner Universität mit Hizb-ut-Tahrir in Kontakt gekommen sei und einige Jahre mit ihren Anhängern verbracht habe. Später sei ihm durch das Studium islamischer Quellen klar geworden, dass Hizb-ut-Tahrir „alles andere als eine islamische Gruppierung ist. Ich erkannte, dass sie versuchen, Jugendliche durch emotionale Themen in ihren Bann zu ziehen und auszunutzen für ihre dunklen Zwecke.“

Im gleichen Interview äußerte sich Sinan W. auch zur Konzeption der geplanten Kita: Neben der Vermittlung der universellen und auch im Islam gültigen Werte der Zehn Gebote ginge es vor allem um islamische Feiertage, Speisen und wahre Gleichberechtigung der Geschlechter. Ihm sei bewusst, dass islamisches Ideal und muslimische Praxis auch in Deutschland diesbezüglich oft voneinander abweichen würden. „Kleine Paschas“, sagte Sinan W. „ sollte es in unserer Kita jedenfalls nicht geben“.

Am 6. April dieses Jahres traf sich der Verein „Morgenland“ in der Wohnung von Sinan W. und wählte einen Verwandten – den 52-jährigen Michael W. – zum neuen Vorsitzenden. Der war dem Verein laut Inforadio erst an diesem Abend beigetreten. Dann stellte der Verein den Antrag ein zweites Mal, das Landesjugendamt genehmigte nun die Kita offiziell. „Es gab keine Möglichkeit, die Erlaubnis zu verweigern, da alle formalen Kriterien dafür erfüllt waren“, sagt der Sprecher der Senatsverwaltung für Bildung, Bernhard Kempf. Dazu gehöre die Eignung des Konzepts und der pädagogischen Zielsetzung.

Die Genehmigung sei aber an Auflagen gebunden. So dürften Mitarbeiter des Jugendamtes in Mitte jederzeit unangemeldete Kontrollen durchführen. „Das werden wir auch tun“, kündigt der zuständige Jugendstadtrat Rainer Maria Fritsch (Linke) an: „Sollte sich durch Berichte von Eltern oder Personal herausstellen, dass da Dinge geschehen, die mit dem Grundgesetz unvereinbar sind, kann die Genehmigung auch wieder entzogen werden.“

Kenner der islamistischen Szene bezweifeln, dass der Rückzug von Sinan W. aus dem Vorstand von „Morgenland“ etwas anderes war als ein taktischer Schachzug. Auch sei seine Abkehr von Hizb-ut-Tahrir nicht gleichzusetzen mit einer Ablehnung islamistischer Positionen. Laut Info-Radio war das Personal für die Kita zunächst über eine Annonce auf der Internetseite der Neuköllner Al-Nur-Moschee gesucht worden, die auch als Treffpunkt von Anhängern gewaltbereiter Gruppierungen gelte.

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