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Berlin: Münte will nichts Süßes am Marheinekeplatz SPD-Wahlkampftour auf schwierigem Terrain

In der Markthalle am Marheinekeplatz fällt Ahmet Iyidirli nicht auf. Er sieht nicht nur aus, als wäre er in der Türkei geboren.

In der Markthalle am Marheinekeplatz fällt Ahmet Iyidirli nicht auf. Er sieht nicht nur aus, als wäre er in der Türkei geboren. Er ist es auch, lebt aber seit 30 Jahren in Deutschland und kandidiert jetzt für die SPD. Im Bundestagswahlkreis FriedrichshainKreuzberg. Aber Franz Müntefering fällt auf. Als der SPD-Parteichef am Mittwoch durch die engen Gänge schlendert und für den Berliner Genossen mit dem schwierigen Namen wirbt, finden das die Leute witzig.

Müntefering, der kurze Sätze liebt, sagt zum Beispiel: „Mitmachen!“ Oder er fragt: „Gehen Sie wählen?“ Aber wie die Kreuzberger so sind, opponieren sie notfalls auch gegen eine Frage. „Wählen muss ich gar nicht“, sagt ein älterer Mann mit Schirmmütze, der gerade in aller Ruhe ein Bierchen schlürft. „Sterben muss ich. Aber nicht wählen.“ Das war schon die politisch bedeutsamste Äußerung auf diesem Rundgang. Vorbei an der Änderungsschneiderei und dem Buchladen. Auch hier lässt „Münte“ einen prägnanten Satz fallen. „Schöne Sachen haben Sie!“ Ob denn noch Bücher gekauft werden? Ja, sagt die Inhaberin. Aber es werde „vorsichtiger gekauft“. Der SPD-Chef wisse bestimmt, dass die Menschen ihr Geld nicht mehr so locker sitzen haben.

Ja, das weiß Müntefering natürlich und er wünscht guten Erfolg. Zwischendurch schiebt sich Iyidirli nach vorn. Ein freundlicher, zurückhaltender Mann. Immerhin ist er Bundeschef der türkischen Sozialdemokraten – also auf Augenhöhe mit Müntefering. Beide verteilen Faltblätter, in denen der Wahlkreiskandidat vorgestellt wird. Er muss in Friedrichshain-Kreuzberg gegen den Alt-Grünen Christian Ströbele antreten. Das ist ein harter Brocken. Die potenziellen Wähler, die Müntefering am Marheinekeplatz zu Gesicht bekommt, sind jung und großenteils Migranten mit einem deutschen Pass. Sie reagieren freundlich und nehmen die bunten Flyer fast alle widerspruchslos entgegen. Aber man muss wissen: In dieser Gegend wählten 2002 über 40 Prozent Ströbele. Am gewaltigen Gewürze- und Kräuterstand erzählt Müntefering von seinem Opa, „der seinen Kräuterschnaps selbst gebrannt hat“. Später kauft er noch 100 Gramm Lakritze. „Süß oder salzig?“, fragt die Verkäuferin. Der SPD-Mann mag die salzigen Sorten.

An der Fischtheke bittet auch Iyidirli mutig um Unterstützung. Bei den wenigen, kurzen Gesprächen wechselt er manchmal von der deutschen in die türkische Sprache. Nachdem sich „der Franz“ dann vor der Markthalle mit allen guten Wünschen verabschiedet hat – auch von den Jusos in den roten T-Shirts mit der Aufschrift „Junge Teams“ –, muss der Direktkandidat einigen Fernseh- und Rundfunkjournalisten noch Interviews geben. Ein kleines TV-Team ist eigens aus der Türkei angereist und findet das Wetter in Deutschland an diesem Mittwoch ausgesprochen scheußlich. za

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