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Müsli-Probierrunde: Bitte nicht überfruchten!

Das endgültige Frühstück: Unsere Probierrunde kostete Müsli-Mischungen aus dem Berliner Handel

Jeden Morgen stellt das Müsli den Versuch dar, ein Ideal zu erreichen, das den Tag gewissermaßen positiv aufschließt. Es handelt sich dabei um nichts weniger, als um das endgültige, „reine“ Frühstück. Das wird daran erkennbar, dass so gut wie kein Element der Löffelspeise am Tage wiederkehrt – ganz im Unterschied zu Butter, Wurst und Brot.

Hafer, Nüsse und Rosinen, die Grundzutaten des Ur-Müslis, konzentrieren enorme Energien in sich, dazu angetan, nicht allein den Nachwuchs für die Herausforderungen des rauen Alltags zu wappnen. Obwohl die Frühstücksflockenmischung auf die mittelalterliche Getreidegrütze sowie die Reformkost des Fin de Siecle zurückgeht, lässt sie sich heute durchaus als Fertiggericht verstehen. Die Zugabe von Milch, Yoghurt oder frischen Früchten wirkt da nur noch wie eine Politur, die dem Vorgegebenen etwas Individuelles hinzufügen will.

Kein Müsli ist wie das andere. Und doch sind die verschiedenen Marken untereinander vergleichbar. Sobald nämlich Zubereitungen gewissermaßen ausgemendelt und in den Alltag eingerastet sind, bewirkt jede Abweichung deren festere Verankerung. Insofern bleiben die im Handel befindlichen Variationen durchaus uniform.

Das zumindest blieb als erstes Fazit der Tafelrunde, die im Hotel Brandenburger Hof zusammen fand, um Früchte-Müsli zu probieren. Küchenchef und Jury-Vorsitzender Sauli Kemppainen ist selbst ein Müsli-Komponist, der damit dem Haus in der Nähe des KaDeWe den Einkauf der üblichen Verdächtigen erspart. Schon deshalb vermochte den Mann aus Finnland Aldis rosinenbetonte „Gletscherkrone Activ“ nicht zu beeindrucken. Der Kontrast von weichen und harten Elementen wich auch nach einer halben Stunde in Milch nicht. Und in „Granola Multifrucht“ von Penny äußerte der ähnlich aufgebaute Fruchtanteil sogar etwas Gummibärchenmäßiges.

Beim von der Konsistenz her mehligen „Kornmühle Früchte Müsli“ von Netto befand sich der dumpfe Eindruck, den das Getreide hinterließ, in einer unfruchtbaren Auseinandersetzung mit einer beeindruckenden Liste von Trockenfrüchten (Aprikose, Banane, Feige, Pfirsich, Pflaume usw.), die von Apfelpulver derart entschlossen synchronisiert werden, dass das jeweilige Einzelaroma kaum noch zur Entfaltung kommt.

Zugleich geschlossener und geschmacklich breiter aufgestellt erscheint zunächst das „Bio Bio Früchte Müsli“ desselben Discounters, doch dort nähern sich die Fruchtzugaben dem an, was man als Orangeat und Zitronat im Weihnachtsstollen fürchtet. Frische fehlt ebenso dem muffig riechenden „Früchte Müsli“ von Edekas Gut & Günstig, das ansonsten genauso neutral bleibt wie das etwas metallisch schmeckende „Bio Gourmet Geniesser Müsli“ derselben Einkaufsgemeinschaft. Edekas „Verival“ öffnet ein breites Spektrum von alledem, was sich gut trocknen lässt und gerade noch zusammen passt. Dominant sind hier die Kokoschips, die es zu einem Müsli für Freunde der Asia-Küche machen.

„Dr. Oetkers Vitalis Früchte Müsli“ war der erste Proband, der die Runde beeindruckte. Es besitzt eine Wucht, die maßgeblich auf seinen Zuckeranteil zurück zu führen ist, und unterlegt ein gut abgestimmtes Fruchtgemisch mit weichem, fluffigem Getreide, aus dem auch noch nach einer längeren Einweichphase knusprige Anteile vorwitzig hervorlugen. Dennoch erschien es insgesamt als überkomponiert und konnte den Vergleich mit Studentenfutter nicht ganz von sich weisen.

Trotz beachtlicher Frische, die sich nach der Zugabe von Milch sofort entwickelt, sowie knackiger Mandeln tritt das „Seitenbacher Bio Müsli #538 Odenwald Mischung“ förmlich auf der Stelle . Nicht ein Löffel fördert einen neuen Aspekt. Gespannt waren alle Tester auf „Kölln Vollkorn Früchte Honig“, weil die Vorzeigemarke aus Elmshorn die Kindheit der meisten begleitet hatte. Es dürfte das hafrigste aller Müslis sein und genügt auch in der Zusammenstellung der Zutaten der Getreidekompetenz des Herstellers. Die Konsistenzen – inklusive lackierter Pops – gehen bruchlos ineinander über, so dass ein unaufgeregtes, wenngleich auch ein etwas langweiliges Müsli im Teller liegt. Die Vorzüge von Kölln kommen umso mehr zum Tragen, wenn man es mit „Rapunzel Früchte Müsli“ aus dem Biomarkt vergleicht. Dort nämlich treten die Flocken zu sehr hinter die vielen Trockenfrüchte zurück, so dass sich keine Einheit ergibt.

Gerade um sie scheint es dem Produzenten von „Familia Bircher Müesli“ aus dem KaDeWe in erster Linie zu gehen. Aber dass die geschmeidige Verbindung von Hafer, Weizen, Roggen, Dinkel und Gerste zu einem ziemlich schleimigen Ergebnis führt, muss nicht gleich enttäuschen. Doch trotz wunderbarer Rosinen, die sich in Milch wunderbar aufblähen, fehlen ein bisschen die Akzente – gerade auch deshalb, weil Zimt seinen nivellierenden Charakter entfaltet und eine Prise Salz fehlt. Das nicht gerade preiswerte „Dorset Fruit, Nuts & Cereals“ aus der Feinschmecker-Etage beweist dann, dass die Suche nach geschmacklicher Substanz in die Irre führen kann. Beherrscht von diversen Röstnoten, handelt es sich kaum mehr um ein Müsli.

Auf den dritten Platz gelangte schließlich die Eigenmarke des Bio-Discounters „Erdkorn“ in der Bundesallee 201. Diese betont unsüße, vielleicht etwas spaßlos-ernsthafte Mischung fächert Früchte wie Apfel, Banane und Cranberries harmonisch mit Nüssen und Flocken auf, ohne das Ganze aus den Augen zu verlieren. Einen Tick eleganter trat das Früchtemüsli vom „Bauck Hof“ auf, das in den meisten Biomärkten erhältlich ist. Über üppigem Hafer, der Milch willig aufsaugt, erheben sich die kernigen und fruchtigen Zutaten (darunter winzige Cornflakes) auf beinahe exotische Weise. Jeder Bissen hält das Interesse wach.

Das gilt noch mehr für den Sieger: „Jordans Spezial-Müsli“ aus den Galeries Lafayette. Es ist nicht überfruchtet, und insbesondere die Korrespondenz von Papaya, Banane und Kokos auf einem munteren Getreide-Fundament schafft anhaltenden Genuss. Oder anders ausgedrückt: Der Möglichkeitshorizont der Speise wird abgetastet.

Ebenfalls aus den Galeries Lafayette stammte eine Komposition, die sich der Einordnung geflissentlich entzog. „Southern Alps No. 3 Bircher Müsli du Glacier Franz Joseph“ könnte man als ein Gourmet-Müsli beschreiben, das im Alltag eigentlich nichts zu suchen hat (und schon gar nicht am Morgen). Ingwer, Zimt und Orange bestimmen eine Frucht-Nuss-Mischung, die sogar noch in Bezug auf die Proportionen der Zutaten immens ausgeklügelt wirkt. Southern Alps mag auch daran erinnern, dass man es mit Müsli halten sollte wie mit Shampoo und Zahnpasta: Die Abwechslung ist ein kaum zu unterschätzendes Gewürz. Thomas Platt

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