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Berlin: Musikalienhandlung Riedel: Schlussakkord mit Dissonanzen

Im Nordflügel des Schauspielhauses am Gendarmenmarkt hat die Musikalienhandlung Riedel jetzt ihre Filiale geschlossen. Das Inventar wird gerade ins Stammhaus an der Wilmersdorfer Uhlandstraße verlagert.

Im Nordflügel des Schauspielhauses am Gendarmenmarkt hat die Musikalienhandlung Riedel jetzt ihre Filiale geschlossen. Das Inventar wird gerade ins Stammhaus an der Wilmersdorfer Uhlandstraße verlagert. Der Mietvertrag am Gendarmenmarkt läuft Ende April aus, eine Verlängerung hatten die Intendanz und die Senatskulturverwaltung abgelehnt. Zu den Hintergründen gibt es gegensätzliche Auskünfte. Hans-Wolfgang Riedel ist jedenfalls verbittert: "Mein Staatsverständnis ist kaputt gegangen", sagt er, "ich kann nicht mehr stolz auf diese Stadt sein".

Der 1910 an der Uhlandstraße gegründete Familienbetrieb, den Hans-Wolfgang Riedel in dritter Generation führt, hat prominente Stammkunden wie den Dirigenten Vladimir Ashkenazy. Im Oktober 1990 öffnete die 175 Quadratmeter große Filiale, die Räume waren vom Schauspielhaus angeboten worden. Riedel investierte rund zwei Millionen Mark. "In diesem Jahr hätten wir es wohl erreicht, kostendeckend zu arbeiten", sagt er. Doch vor ein paar Monaten wurde ihm das Ende des Vertrags angekündigt. Mittlerweile ist Riedel davon überzeugt, dass Intendant Frank Schneider und die Kulturverwaltung schon "seit zig Jahren hinter unserem Rücken" eine Vorverkaufskasse in den Räumen geplant hatten. Für ihn handelt es sich um einen "Ost-West-Konflikt". Schneider habe ihm gesagt, dass nun endlich einmal ein Ossi einen Wessi verdränge. Der Intendant bestreitet die Äußerung.

Nach Angaben der Kulturverwaltung ging es allein um die Miethöhe. Schon 1995 habe der Rechnungshof bemängelt, dass Riedel statt der damals ortsüblichen 32 Mark je Quadratmeter nur 17,56 Mark zahle. Die Musikalienhandlung habe eine Erhöhung abgelehnt. Beim letzten Gespräch im Dezember sei dann als "Angebot zur Güte" ein Kiosk im Schauspielhaus diskutiert worden. Riedel sagt dazu, es habe sich um lediglich acht Quadratmeter gehandelt.

Jetzt verlieren fünf Beschäftigte ihren Arbeitsplatz. An der Uhlandstraße gibt es weiterhin 26 Mitarbeiter. Die für den Gendarmenmarkt entstandene Idee, eine "nationale Musikalienhandlung" mit allen in Deutschland verfügbaren Noten aufzubauen, ist laut Riedel jetzt aber "gestorben". Er hatte sich erfolglos auch an den Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses gewandt. Rechtliche Möglichkeiten, gegen das Vertragsende im Schauspielhaus vorzugehen, gab es nicht. Einen kleinen Shop in der Philharmonie hatte die Firma schon 1999 räumen müssen.

Die zweite führende Berliner Musikalienhandlung, Bote & Bock an der Hardenbergstraße, hatte im März 2000 geschlossen. Dort war es der Londoner Mutterkonzern, der das Aus für die 162 Jahre alte Traditionsfirma trotz zahlreicher Proteste von Kulturinstitutionen, Musikern und Privatleuten durchsetzte. Inzwischen haben Ex-Mitarbeiter von Bote & Bock einen eigenen Laden eröffnet: "Cantus 139" an der Charlottenburger Kantstraße 139.

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