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Musikfest: Mit Sekt und Rüschenbluse

Am Sonntag sollte bei einem Benefizkonzert im Kammermusiksaal das World Future Council (WFC) einem größeren Publikum bekannt gemacht werden. Die Menschenrechtsaktivistin Bianca Jagger lobte Deutschland als leuchtendes Beispiel für die Welt wegen seines geplanten Ausstiegs aus der Atomenergie.

Sonntagvormittag, vor 1000 Gästen im voll besetzten Kammermusiksaal: Kurz vor seinem Ende wird das Musikfest noch einmal richtig politisch. Ein Benefizkonzert soll das vergangenes Jahr in Hamburg gegründete World Future Council (WFC), das weltweit Politiker berät, einem größeren Publikum bekannt machen. Laut Jakob von Uexküll, Gründer des WFC und Stifter des Alternativen Nobelpreises, sei Klimaschutz immer auch Kulturschutz, da keine künstlerische Produktion ohne die entsprechenden natürlichen Grundlagen denkbar sei. „Und die größte Bedrohung unserer Welt geht nicht von den Finanzmärkten aus. Ein Zusammenbruch der Börsen wirkt Jahre, vielleicht Jahrzehnte. Ein Zusammenbruch des Ökosystems wirkt Jahrtausende.“

Die Menschenrechtsaktivistin Bianca Jagger, die in den 70er Jahren mit Mick Jagger verheiratet war und jetzt für das WFC durch die Welt tourt, tritt in weißer Rüschenbluse, schwarzem Jackett und riesiger schwarzer Haarwelle leicht dämonisch auf, was ihre Mahnungen noch unterstreicht. Sie fragt, wahrscheinlich bewusst naiv, welches Land als erstes seine Atomwaffen abschaffen werde. Deutschland, sagt sie, sei mit der Debatte um den Atomausstieg für die ganze Welt ein leuchtendes Beispiel und müsse unbedingt diesen Weg weitergehen.

Was erreicht werden kann, wenn alle zusammenspielen, das zeigen dann die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker in dem wie eine Traumprozession dahinschreitenden Stück „Fratres“ von Arvo Pärt und der wehmütig, mit im besten Sinne traumverlorener Intensität gespielten „Suite del Ángel“ von Astor Piazzolla. Ausgerechnet der fromme Katholik Bruckner holt dann mit seinem so gar nicht von Jenseitsdenken angehauchten Streichquintett, gespielt vom Philhamonia Quartett, das Publikum auf den Boden der Tatsachen zurück. Bei der anschließenden Podiumsdiskussion zur Zukunft des Planeten plaudern die meisten lieber im Hintergrund mit einem Sektglas in der Hand. Zerstreuung ist eben viel schöner. (uba)

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