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"Spirit of Istanbul" in Berlin: Neben Mezze, Raki und Musik ging es auch um Politik.

© YASIN AKGUL / AFP

Musikfestival "Spirit of Istanbul" in Berlin: Mit Raki gegen die deutsch-türkische Krise

Auf einem Musikfestival in Berlin kommen sich Deutsche und Türken näher – erst recht in der Krise.

Ayran oder Raki - was ist das türkische Nationalgetränk? Die 8000 Gäste in der Arena Berlin beantworteten die Frage in der Nacht zu Sonntag, indem sie ihre Gläser reichlich mit dem türkischen Schnaps füllten. Kein Zufall, eingeladen zum "Spirit of Istanbul Festival" hatte eine bekannte Spirituosenmarke. Deutsch-Türken feierten ausgiebig – und ließen die Krise in der Türkei für einen Abend hinter sich. Ein guter Ort für eine Momentaufnahme: Wie empfindet die deutsch-türkische Community in Berlin den politischen Streit?

Wer an diesem Abend die politische Krise in der Türkei sucht, muss schon vor dem Eingang stehen. Dort werden einigen Besuchern "Hayir"-Flyer in die Hände gedrückt. Das "Hayir", was "nein" auf Türkisch bedeutet, spielt auf das anstehende Referendum in der Türkei an, bei dem auch viele in Deutschland lebende Türken abstimmen. Geht es durch, würde sich die Macht des schon autoritär regierenden Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan noch einmal enorm ausweiten.

"Hayir"-Flyer auf einem Musikfestival? Für Bedi Barakat aus Reinickendorf ist das ein Witz: "Als ob irgendjemand hier mit Ja für das Referendum abstimmen würde." Warum ist er sich da so sicher? "Na, weil hier Raki getrunken wird!", kontert der 32-Jährige und muss lachen. Barakat glaubt nicht, dass sich Anhänger der türkischen islamisch-konservativen Regierungspartei AKP auf dem Festival tummeln. Vermutlich hat auch Präsident Erdogan seinen Anteil daran: Er bekräftigt seit Jahren, dass das Joghurtgetränk Ayran das einzige Nationalgetränk der Türkei sei.

"Hier sollte kein türkischer Wahlkampf ausgetragen werden"

Edles Lammfleisch, schmackhafte Garnelen, gut gewürztes Mezze – die Schlangen an den Essensständen sind lang. Aber sie lösen sich, als die Berliner Band Culcha Candela und DJ-Urgestein Senay Güler auf die Bühne stürmen und die Besucher daran erinnern, wo sich die wahre Musik abspielt. Viele Frauen tanzen, viele Männer klatschen mit. Murat Acil aus Tempelhof, der es sich in einer Ecke weit weg von der Bühne mit einem Tablett voller Mezze gemütlich gemacht hat, stimmt Barakat zu. Der 41-Jährige verfolgt die deutsche und türkische Politik über soziale Netzwerke. Die Spannungen zwischen der türkischen Regierung und Deutschland findet er traurig, betont aber, dass Deutschland im Recht sei. "Die Absagen an die Minister für ihre Redeauftritte waren richtig. Hier sollte kein türkischer Wahlkampf ausgetragen werden", sagt er.

Fehlerfrei seien die Deutschen aber auch nicht und meint vor allem Journalisten: "Die PKK ist in Deutschland und der Europäischen Union als Terrororganisation eingestuft. Das wird in Zeitungen aber nie geschrieben. Stattdessen ist immer die Rede von der ,verbotenen kurdischen Arbeiterpartei’".

Das Festival hat auch die beiden Freundinnen Dilara und Çagla in die Arena gelockt. "Es freut mich, dass auch so viele Deutsche gekommen sind", sagt die 25-jährige Dilara. "Hier kriegen sie nach den vielen schlechten Nachrichten aus der Türkei endlich auch mal positive Eindrücke." Aber selbst dieses Gefühl fühlt sich für die beiden Frauen komisch an. "Es ist eigentlich totaler Quatsch, dass man sich über solche Momente schon freuen muss", fügt Freundin Çagla hinzu. "Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Ich müsste mich nicht dafür rechtfertigen, was die türkische Regierung anstellt oder was die Deutschen über die Türkei denken", sagt die 28-Jährige.

Als auf dem Festival gerade eine Musikpause ansteht, dreht auch Michael E. aus Charlottenburg eine Runde. Der Politik- und Englischlehrer findet solche interkulturellen Veranstaltungen wichtig. "In den Nachrichten lese ich fast nur noch schlechte Meldungen aus der Türkei. Das ist schade und gefährlich, gerade mit Blick auf den Aufwind, den rechtspopulistische Parteien gerade bekommen", sagt der 32-Jährige. "Wenn man auf solchen Festivals ist, merkt man schnell, dass wir uns in unserer Kultur überhaupt nicht fern sind."

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