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Berlin: Musikunterricht: Warnung vor zu lauter Musik

Schule zieht Konsequenz aus Hörschäden bei Jugendlichen / Pegelbegrenzung in Diskos und Kopfhörern gefordertVON HANS TOEPPEN BERLIN.Rund ein Viertel der Teens und Twens zwischen 16 und 24 in Deutschland hört nicht mehr richtig: Wegen zu ausführlicher und zu lauter Musikberieselung.

Schule zieht Konsequenz aus Hörschäden bei Jugendlichen / Pegelbegrenzung in Diskos und Kopfhörern gefordertVON HANS TOEPPEN BERLIN.Rund ein Viertel der Teens und Twens zwischen 16 und 24 in Deutschland hört nicht mehr richtig: Wegen zu ausführlicher und zu lauter Musikberieselung.Aus den schon lange vom Umweltbundesamt beklagten Gefahren hat jetzt auch die Schulverwaltung Konsequenzen gezogen.In den Lehrplänen des nächsten Jahres taucht im Musikunterricht ein neues Arbeitsfeld auf: Gesundheitsgefährdung durch Musik und Lärm.Auch ein medizinischer Fluch der Moderne wird für die Schüler namhaft gemacht - das "Kopfgeräusch" Tinnitus. In Berliner Diskotheken sind Lärmpegel gemessen worden, die hoch in jenem Bereich liegen, in denen das Innenohr irreparabel geschädigt wird.Wird ein Pegel von 85 Dezibel längerfristig überschritten, ist nach Einschätzung der Gesundheitsverwaltung das Hörvermögen schon gefährdet.Bei einer Untersuchung in 29 Berliner Diskotheken wurden aber Viertelstunden-Mittel zwischen 92 und 110 dB (A) festgestellt. Das liegt nicht mehr weit vom Höllenlärm entfernt, den mitunter live-Konzerte verstreuen: Bei 120 dB reichen nach Einschätzung der Berliner Wissenschaftler H.Ising und B.Kruppa schon zehn Sekunden aus, um nicht mehr behebbare Innenohrschäden zu verursachen.Bei neueren Untersuchungen in Diskotheken hat sich sogar gezeigt, daß der Lärmpegel sich im Durchschnitt um zwei Dezibel pro Stunde erhöht.Hat er also um 22 Uhr 90 dB betragen, dürfte er bis etwa drei Uhr auf 100 dB geklettert sein - ein hochgradig gesundheitsgefährdender Wert.Zudem ist er besonders tückisch, weil die Besucher vom Lärm-Anstieg nichts merken.Er reicht gerade aus, wie es medizinisch heißt, "um eine zeitweilige Vertäubung zu kompensieren".Im Klartext: Für die Disko-Fans muß allmählich immer mehr aufgedreht werden, weil sie im Lauf des Abends immer schlechter hören. Das Umweltbundesamt hatte schon 1995 erklärt, daß bei den heutigen Musikgewohnheiten bereits nach fünf Jahren bei etwa zehn Prozent der Jugendlichen deutliche Hörverluste zu erwarten seien.Solche Schäden führten später vielfach zu Einschränkungen der Berufs- und Kommunikationsfähigkeit im sozialen Umfeld. Bei Kindern und Jugendlichen zwischen 10 und 17 liegt die Gefahr hauptsächlich im Musikkonsum mit Kopfhörern.Ältere Geräte liefern Dauerschallpegel bis zu 110 Dezibel, womit sie auf dem Niveau einer Kreissäge stehen.Am Arbeitsplatz ist aber schon ab 85 dB ein Gehörschutz vorgeschrieben. Was eine solche Lärmberieselung bei Kindern bedeutet, hat eine Untersuchung klargemacht: Bei mehr als 500 Stunden lauten "Walkman"-Hörens ist das Risiko einer Gehörschädigung schon doppelt so hoch wie bei wenig oder leise konsumierenden Musikfreunden.Das Umweltbundesamt hat deshalb Pegelbegrenzungen für Diskos und sogenannte Tonwiedergabegeräte gefordert.Zustande gekommen ist allerdings bisher lediglich ein Appell der Gesundheitsminister an die Bundesregierung, sich bei der Europäischen Kommission für entsprechende Richtlinien einzusetzen. Entwarnung gibt es nur für Klassik-Hörer: Die Lautstärkespitzen gelten als erträglich.

HANS TOEPPEN

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