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Berlin: Muskeln für den Flug zum Mars

Der Wissenschaftler Dieter Felsenberg trainiert junge Männer für die lange Reise durchs All

Von David Ensikat

Beim Duschen ist man ganz allein. Man darf auch singen dabei. Die Sensoren in der flachen, langen Duschwanne fühlen nur nach, ob man sich aufrichtet, ob man zum Schrubben den Rücken in die Höhe richtet, ob man der Schwerkraft trotzt und sich dem Brausekopf entgegenstreckt. Das alles ist verboten, denn man dient der internationalen Weltraumforschung.

Im Februar werden im Universitätsklinikum Benjamin Franklin vier junge, kerngesunde Männer in die Krankenhausbetten steigen und acht Wochen lang nicht mehr aufstehen. Jeder von ihnen bekommt 5000 Euro dafür, jeder von ihnen muss hauptsächlich nichts tun, muss sich nur jede Menge Fragen und Untersuchungen gefallen lassen. Und zwei von ihnen müssen regelmäßig merkwürdige Trainingseinheiten an vibrierenden Brettern absolvieren. Liegend versteht sich.

Es geht um den Mars, zu dem die Menschen so gerne fliegen würden. Für den Weg dorthin braucht man ein paar Monate, so lange jedenfalls, dass der Körper seine Konsequenzen ziehen würde. In all den Monaten wiegt er ja nichts, fürs Weltall ist so ein Menschenkörper nicht gemacht. Der sagt sich: Okay, hier brauche ich keine Muskeln, und da die Haut alles zusammenhält, sind die Knochen eigentlich auch Mumpitz. In nur drei Monaten Schwerelosigkeit verliert der Körper um die zehn Prozent seiner Knochenmasse.

Da man nun den Marsmännchen und -frauchen nicht schlaff und schlapp begegnen möchte, kümmert sich die Wissenschaft um das Problem, weil es auf Erden keine Schwerelosigkeit gibt, behilft man sich mit dem Bett. Der Versuch, für den die Medizinforscher der Freien Universität insgesamt 20 liegewillige gesunde Männer zwischen 20 und 45 Jahren sucht, wurde lange vorbereitet, Professor Dieter Felsenberg, Leiter des Berliner Zentrums für Muskel- und Knochenforschung hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Diejenigen, die ihre Muskeln im Bett trainieren, sollen hinterher stärker aufstehen, als sie waren, als sie sich niedergelegt haben.

Das klingt verlockend: 5000 Euro für Rumliegen, ein wenig Training, komfortable Zweibettzimmer, Fernseher für jeden, Laptops mit Internetzugang auch und ärztliche Betreuung vom Feinsten. Allerdings muss man sämtliche Verpflichtungen für die acht Wochen, auch die sozialen, aufkündigen. Besuch von Freunden und Bekannten ist total verboten, denn so was gibt’s auf dem Flug zum Mars ja auch nicht. Und so richtig ruhig wird die Zeit auch nicht, geschlafen wird, wenn das Forschungsprogramm „Bettruhe“ vorsieht. Sonst wird geforscht. Vier Ärzteteams werden ständig an den Astrosimulanten herumhorchen und -fühlen. Videokameras überwachen alles, 24 Stunden am Tag, nur der Duschraum ist blind. Die Forscher werden ihre Forschungsobjekte im Bett zum Ultraschall fahren und zum Kernspintomografen, und andauernd werden sie sie fragen: Na, wie geht’s uns denn heute? Acht Wochen lang.

Professor Felsenberg ist überzeugt, dass die Prozedur den Probanden nicht schlecht bekommt. Klar, die Kontrollgruppe, also diejenigen, die kein Muskeltraining machen, werden hinterher recht schlapp sein, aber nach ein paar Wochen hat der Körper Muskeln und Knochen wiederhergestellt. Vor zwei Jahren gab es in Frankreich einen Zwölf-Wochen-Test, und alle haben durchgehalten. Auch der Bodybuilder, der acht Kilo Muskeln verlor, hat alles wieder zurücktrainiert.

Anmeldungen ab der kommenden Woche unter www.medizin.fu-berlin.de/zmk

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