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Berlin: Muslime üben Milde beim Verzicht

Viele suchen im Ramadan nach einem Mittelweg.

Wenn Ramadan ist, bekommt Sami R. jedes Mal ein schlechtes Gewissen. 30 Tage lang fasten – das macht er schon seit Jahren nicht mehr. Nicht nur, weil er es für gesundheitlich problematisch hält, sondern auch weil er für sich darin keine Notwendigkeit sieht. Er glaubt an Gott, und Ramadan ist auch für ihn eine heilige Zeit. „Es geht für mich dabei aber nicht allein ums Fasten“, sagt der 30-jährige Kaufmann. „Es ist für mich die Zeit, mir meinen Glauben vor Augen zu führen.“

Sami R. ist in Berlin aufgewachsen, seine Familie kommt aus dem Libanon. Er will wie alle, die es mit dem Ramadan manchmal nicht ganz so genau nehmen, seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen. Sie möchten nicht darauf angesprochen werden, einen Zwischenweg zu gehen. Sami R. sieht es als ein Geheimnis zwischen sich und Gott.

Dem Berliner ist unwohl dabei, durch sein Essen und Trinken anderen das Fasten zu erschweren. Daher isst er zu Ramadan tagsüber nur selten in der Öffentlichkeit. „Mein jüngerer Bruder versucht gerade zu fasten. Alle Achtung!“, sagt er. „Ich koche dann abends für ihn.“ Das sei seine Art, die Familie zu unterstützen. Sami R. will am Wochenende aber versuchen, nichts zu essen und nichts zu trinken. Unter der Woche müsse er aber fit für die Arbeit sein.

Das gesellschaftliche Leben in Deutschland ist nicht wie in muslimisch geprägten Ländern auf Fasten eingestellt. Dort wird zwar auch während des Ramadans gearbeitet, allerdings weniger als sonst. „Muslime in Europa brauchen deswegen mehr Willenskraft, das Fasten durchzuhalten“, sagt Samuli Schielke, Ethnologe am Zentrum Moderner Orient. „Ramadan ist der Monat der Gnade und mit diesem Versprechen hängen auch Erwartungen zusammen“, sagt er weiter. Dafür müsse man sich aber bemühen.

Eben deswegen betet Sami R. und liest den Koran. Cem H., dessen Eltern in den 80er Jahren aus der Türkei gekommen sind, versucht hingegen keinen Alkohol zu trinken und nicht zu fluchen. Seine Mutter ist sehr religiös und neben seinem Vater ist er der Einzige in der Familie, der nicht fastet. „Ich bin zwischen den Extremen“, sagt der Neuköllner. Er fühle sich nicht bereit zu fasten, das Fest sei aber ein Teil von ihm und dem will er Ausdruck verleihen – auf seine Weise. Im Jahr 2010 spendete der Politik-Student daher jeden Tag des Ramadans acht Euro an die Flutopfer in Pakistan.

Auch Neder M. spendet für arme Menschen im islamischen Fastenmonat. Wie für Cem H. ist es ihre Art, damit umzugehen, dass sie sich nicht an die festen Vorschriften des Ramadans hält. Als sie mit Anfang zwanzig nach Deutschland kam, stand sie dem Ramadan ablehnend gegenüber. Anders als in Marokko meinte sie, daraus in Berlin kein Geheimnis mehr machen zu müssen. Sie hatte es satt, für fähig gehalten zu werden zu klauen, nur weil sie nicht nach den Vorschriften lebte. Doch die Werbekauffrau merkte, dass sie mit ihrer prinzipiellen Gegenposition Menschen verletzte. „Ich glaube, manchmal ist es einfacher zu fasten, als nicht zu fasten“, sagt sie. Inzwischen hat auch die fast 40-Jährige den Mittelpfad gewählt. Sie trinkt, isst aber nur wenig. Ihr ist es wichtig, dass jede Interpretation respektiert wird. Bettina Malter

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