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Berlin: Mutter lässt Sechsjährigen tagelang allein

Nach Hinweisen befreit die Polizei den Jungen, der ohne Nahrung in der Wohnung eingeschlossen war

Der Besuch bei einer Internet-Bekanntschaft war einer 23-jährigen Frau aus Treptow-Köpenick offenbar wichtiger als ihr Kind. Deshalb ließ sie ihren sechsjährigen Sohn Justin am 7. April allein zurück in der verschlossenen Wohnung: Dort fanden sich nur vergammelte Lebensmittel, keine Getränke und auch kein Telefon. Zwei Tage später wurde der Junge von der Polizei aus der Wohnung befreit – dank eines Hinweises.

Dieser Fall von schwerer Kindesvernachlässigung wurde gestern bekannt. Die Mutter, die mittlerweile wieder in Berlin ist, wurde am Mittwoch verhaftet. Justin ist vom Jugendamt in Obhut genommen worden und lebt nun in einem Kinderheim. Ebenso wie seine dreijährige Schwester, die während der Abwesenheit der Mutter aber bei einer Freundin untergebracht war.

Wie die Ermittlungen des Fachdezernates bei der Kripo ergaben, setzte sich die arbeitslose, alleinerziehende Jaqueline E. am 7. April ins Flugzeug, um für mehrere Tage in ein anderes Bundesland zu fliegen und dort eine „Internetbekanntschaft“ zu treffen. Genauere Angaben machte die Polizei dazu nicht. Justin schloss sie in der Wohnung ein, „ohne ausreichende Verpflegung in der Wohnung zurückgelassen zu haben“, wie es im Polizeibericht hieß. Die dreijährige Tochter Aaylla gab sie bei einer Freundin ab. Auf deren Frage, wo denn Justin sei, habe die Mutter erzählt, dass der Kindsvater sich um den Jungen kümmerte. Nach Tagesspiegel-Informationen soll es die Mutter der Freundin von Jaqueline E. gewesen sein, die – als sie später diese Erklärung hörte – stutzig wurde und die Polizei informierte. Denn sie wusste offenbar, dass die 23-Jährige schon seit Monaten vom Kindsvater getrennt ist; ein Kontakt soll nicht bestehen. Die Beamten gingen diesem Hinweis sofort nach und befreiten Justin aus der Wohnung. Ihm gehe es den Umständen entsprechend gut, hieß es bei der Staatsanwaltschaft.

Gegen die Mutter erließ ein Richter bereits am 10. April Haftbefehl. Nach ihrer Rückkehr erfuhr sie, dass das Jugendamt die Kinder bereits in Obhut genommen hatte. Erst am Mittwoch dieser Woche hatte sich die Frau beim Jugendamt gemeldet. Daraufhin habe man einen Termin vereinbart, bei dem die Frau schriftlich eingewilligt habe, dass die Kinder weiterhin im Heim betreut werden. Die Sozialarbeiterin habe ihr dann geraten, sich umgehend bei der Polizei zu melden. Dies tat die 23-Jährige dann auch in Begleitung eines Rechtsanwaltes.

Der zuständige Jugendstadtrat Joachim Stahr (CDU) sagte, dass Familienhelfer die Frau zwischen 2001 und 2002 betreut haben. Damals habe es auch vier Hausbesuche gegeben. „Der Zustand der Wohnung und der Kinder war völlig in Ordnung. Es gab keine gravierenden Probleme“, sagte Stahr. Deshalb seien auch keine weiteren Hausbesuche mehr nötig gewesen. In den folgenden Jahren sei die Mutter regelmäßig von sich aus „auf dem Jugendamt zur Beratung erschienen und hat auch ihre Kinder mitgebracht“. Die Frau sie nicht auffällig gewesen. Dass es zu so einer Vernachlässigung kommen konnte, sei den Mitarbeitern unerklärlich. Laut Staatsanwaltschaft droht der Frau eine Haftstrafe wegen Aussetzung zwischen drei Monaten und fünf Jahren.

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