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Bildungssenatorin Sandra Scheeres zieht jetzt Konsequenzen aus dem Mangel an Türkischlehrern in Berlin.

© dpa

Update

Muttersprachlicher Unterricht: Scheeres will eigene Türkischlehrer ausbilden

Berlin soll vom Unterricht der Konsulatslehrer aus Ankara unabhängiger werden. Koalition und Opposition sind in Sorge wegen Sprachangeboten in Moscheen.

Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) will nun doch den Aufbau eines Studiengangs für Türkischlehrer forcieren. „Nachdem die Bildungsverwaltung den herkunftssprachlichen Unterricht an den Grundschulen etabliert hat, ist nun geplant, ein entsprechendes Lehramtsstudium an Berliner Universitäten einzurichten. Rechtzeitig vor den nächsten Hochschulverhandlungen werden wir hier den Bedarf anmelden", teilte ihr Sprecher Martin Klesmann am Dienstag mit.

Scheeres platzierte diese Ankündigung nach ausdrücklichen Forderungen aus Koalition und Opposition, eigene Türkischlehrer auszubilden, um das Unterrichtsangebot qualitativ und quantitativ zu verbessern. Vorangegangen war am Montag ein Tagesspiegel-Bericht über Türkischangebote für Schüler mit staatlichen türkischen Konsulatslehrern in Moscheeräumen, die der türkischen Religionsbehörde unterstehen: Angesichts der nationalistischen und islamistischen Tendenzen der neuerdings auch noch kriegsführenden Regierungsmacht in Ankara war damit für etliche Bildungspolitiker im Abgeordnetenhaus die Schmerzgrenze erreicht.

Berlin ist beim Türkischunterricht ohnehin in einer Umbruchsituation: Nachdem er seit 50 Jahren überwiegend von in der Türkei ausgebildeten Konsulatslehrern angeboten wurde, soll er in die Verantwortung von Berliner Lehrern übergehen. Das hat zwei Gründe: Zum einen hat sich die rot-rot-grüne Koalition vorgenommen, generell mehr muttersprachlichen Unterricht in staatlicher Verantwortung anzubieten, zum anderen war ohnehin geplant, den Einfluss der türkischen Staatsdiener auf Berliner Schüler zurückzufahren.

Der Türkische Ministerpräsident Recep Erdogan duldet nur regimetreue Lehrer.
Der Türkische Ministerpräsident Recep Erdogan duldet nur regimetreue Lehrer.

© AFP/Ozan Kose

In nur zwei Jahren war es daher der Schulverwaltung gelungen, an 65 Grundschulen Arbeitsgemeinschaften zu etablieren und mehr als 1000 Schüler zu erreichen. In diesem Schuljahr werden es nach bisherigen Schätzungen noch „deutlich mehr sein“. Offizielle Zahlen sollen demnächst vorliegen.

In Mitte und Reinickendorf kein Konsulatsunterricht mehr

Parallel geht die Verbreitung des Konsulatsunterrichts seit 2017 stark zurück – zunächst auf 90, dann auf 75 und zuletzt auf 67 Grundschulen. Ursache dafür ist aber nicht nur die Konkurrenz durch die neuen AGs, sondern auch die Tatsache, dass der Bezirk Mitte die Schulräume nicht mehr mietfrei überlässt: Da die Türkei keine Miete zahlen will, entfielen abrupt alle Grundschulen des Bezirks.

Zudem weigert sich der Bezirk Reinickendorf seit 2018 grundsätzlich, der Botschaft Räume zur Verfügung zu stellen. Auch diese Weigerung hängt mit dem autokratischen Machtgefüge in Ankara zusammen. Botschaftsrat Cemal Yildiz berichtete im Gespräch mit dem Tagesspiegel, dass er persönlich Bezirksbürgermeister Frank Balzer (CDU) vergeblich gebeten habe, Schulräume nutzen zu dürfen. Da das nicht gelang, sind etliche Konsulatslehrer ohne Beschäftigung, woraufhin die Botschaft auf die Idee kam, Moschee- und Bildungsvereine um Aufnahme zu bitten.

Die Botschaft spricht von "Nachhilfe"

Die Botschaft tituliert ihre dortigen Angebote nicht mehr als „Konsulatsunterricht“, sondern als „Nachhilfe“. Die Entscheidung, auf Moscheen auszuweichen, hat aber nicht nur die Berliner Bildungspolitik wie berichtet aufgeschreckt, sondern auch zu Irritationen bei manchen Konsulatslehrern geführt, unter denen nämlich auch durchaus noch einzelne liberale Geister sind: Sie fühlten sich dadurch brüskiert, dass sie plötzlich unter den Augen der strenggläubigen Muslime in den Moscheen der Islamischen Föderation auftreten sollten: „Die Chemie stimmte nicht“, berichtet ein Lehrer. Als Folge hatten, wie berichtet, einige Moscheen am 22. September ihre Bereitschaft, Räume zur Verfügung zu stellen, zurückgezogen. Ein Übriges tat dem Vernehmen nach dabei auch die Sorge, dass nicht türkische Gläubige an der Präsenz der türkischen Staatsdiener Anstoß nehmen könnten.

Diese Moscheen hatten sich bereit erklärt, Räume für die Konsulatslehrer zur Verfügung zu stellen. Die gelb markierten machten am 22. September einen Rückzieher.
Diese Moscheen hatten sich bereit erklärt, Räume für die Konsulatslehrer zur Verfügung zu stellen. Die gelb markierten machten am 22. September einen Rückzieher.

© Türkische Botschaft

Der Einsatz von Konsulatslehrern in Bildungsvereinen gilt als unproblematisch. Das Yunus-Emre-Institut ist ein Pendant zum deutschen Goethe-Institut
Der Einsatz von Konsulatslehrern in Bildungsvereinen gilt als unproblematisch. Das Yunus-Emre-Institut ist ein Pendant zum deutschen Goethe-Institut

© Türkische Botschaft

Angesichts all dieser Probleme ist die Botschaft weiterhin daran interessiert, an den Schulen nicht noch mehr Boden zu verlieren: Yildiz argumentiert, dass die türkischen Lehrer gut ausgebildet seien, während die Berliner Behörde auch auf Muttersprachler ohne Fachstudium zurückgreifen müsse.

Auch Kurdisch soll angeboten werden

Die rund 32.000 türkeistämmigen Schüler, zu denen auch Kurden gehören, bilden noch immer die größte Gruppe der Schüler mit Migrationshintergrund in Berlin: Allein im Grundschulalter gibt es nach Angaben des Statistischen Landesamtes etwa 15000. Ebenfalls sehr groß ist die Gruppe der Schüler aus arabischsprachigen Ländern. Diese drei Sprachgruppen – Türkisch, Kurdisch und Arabisch – sollen daher auch im Fokus stehen, wenn jetzt der herkunftssprachliche Unterricht ausgebaut wird, bestätigte Scheeres’ Sprecher Klesmann. Dafür seien sieben zusätzliche Stellen im neuen Haushalt eingeplant. Der stärkste Bedarf besteht bisher für Türkisch, weshalb auch das Türkisch-Lehramtsstudium vorrangig behandelt wird.

Wann die ersten Studierenden dann das Fach werden belegen können, ist noch nicht klar. Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD) hatte am Montag allerdings gegenüber dem Tagesspiegel in Aussicht gestellt, er werde mit den Hochschulen besprechen, „ob und wie sich das realisieren lässt, wenn die Bildungsverwaltung hier einen Bedarf anmeldet“.

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