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Berlin: Nach 28 Jahren stieg Scientology-Direktor Handl aus

Er vermarktete die umstrittene Organisation, brach den Willen von Menschen. Eine Krankheit führte ihn zurück ins bürgerliche Leben

Eine Liebe rettete ihm das Leben. 28 Jahre war Wilfried Handl Mitglied von Scientology und deren „Direktor“ in Österreich. Heute vergleicht er die umstrittene Organisation mit dem Regime in Nordkorea.

Vor fünf Jahren besuchte ihn eine Frau und erschrak über seinen Zustand: Abgemagert und verhärmt traf sie ihn an und überzeugte ihn, auf schnellstem Wege ins Krankhaus zu gehen. „Dort sagten mir die Ärzte, ich hätte nur noch drei Tage zu leben“, sagt Handl (52). Der Krebs hatte sich durch seinen Körper gefressen. Zwei Jahre dauerte die Behandlung: Operationen und Chemotherapie brachten Besserung. Jetzt warnt Handl vor der Organisation und schreibt Bücher über ihre Machenschaften.

„Scientologen glauben nicht, dass sie krank werden, wenn sie clear sind“, sagt Handl. Weil er bei Scientology 150 000 Euro für Kurse ausgegeben hatte, um sich „reinigen“ zu lassen, kam es dem Chef einer Werbeagentur nicht in Sinn, er könne ein ernst zu nehmendes Leiden haben. „Scientology lehnt normale Medizin ab“, sagt er. Deshalb kam sein „Erweckungserlebnis“ in der Klinik fast zu spät.

Über seine lange Mitgliedschaft bei Scientology sagt er heute: „Ich habe sehr viel Schuld auf mich geladen.“ Er habe die Vermarktung von Scientology vorangetrieben, den Willen von Mitgliedern gebrochen und sie bedrängt, Kurse zu belegen. Nun will er „so viel wie möglich wiedergutmachen“. Durch Vorträge in Schulen und öffentlichen Einrichtungen, beim evangelischen Bildungswerk – unentgeltlich.

Handl dürfte nun unter Beobachtung stehen. Denn den Statuten von Scientology zufolge sind alle, die nicht für die Organisation sind, Feinde. Auf Anfeindungen habe die Organisation mit der Gründung der „Office of special affairs“ reagiert, „die vergleichbar ist mit der Stasi“, sagt Handl. Sie sammle Informationen über Scientology-Kritiker. Sie habe auch Zugriff auf die Protokolle der „Auditings“, therapieähnlicher Sitzungen, denen sich jeder Scientologe unterziehen muss. „Verhöre“ nennt Handl die Gespräche. Die Ergebnisse der „Beichten“ würden gegen Mitglieder eingesetzt oder dienten als Basis für deren Umerziehung. Scientology bestreitet das. „Ich hatte einen Ehebruch gestanden“, sagt Handl. Kurz darauf habe ihn die „Ethikabteilung“ gedrängt, die Affäre zu beenden und sich mit seiner Ehefrau einer scientologischen Sitzung zu unterziehen – gegen Geld.

Die Ethikabteilung sei mächtig: Sie übernehme auch die Rechtsprechung. Scientologen sei es bei internen Streitigkeiten verboten, öffentliche Gerichte anzurufen, so Handl. Denn Scientology wolle nichts im Leben ihrer Mitglieder dem Zufall oder bürgerlichem Einfluss überlassen. Es gebe Riten für Taufen, Hochzeiten und die Bestattung der Mitglieder – die totale Begleitung, von der Wiege bis zur Bahre.

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