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Mit einem schwarzen Opel hatte der Iraker Sarmad A. auf der A100 gezielt drei Motorradfahrer gerammt.

© Paul Zinken/dpa

Nach Amokfahrt auf Berliner Stadtautobahn: Anschlagsopfer ringt um sein Leben

Ein Motorradfahrer ist nach dem Angriff auf der Berliner Stadtautobahn in einem kritischem Zustand. Der Täter ist womöglich schuldunfähig.

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Zwei Tage nach dem Angriff des Irakers Sarmad A. auf der Stadtautobahn befindet sich ein Opfer weiter in kritischem Zustand. „Die Situation ist unverändert“, sagte am Donnerstag der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Martin Steltner. Sarmad A. (30) hatte Dienstagabend mit seinem Auto, einem schwarzen Opel Astra, auf der A 100 zwischen den Ausfahrten Detmolder Straße und Alboinstraße gezielt drei Motorradfahrer gerammt.

Einer von ihnen, ein Feuerwehrmann, erlitt schwere Verletzungen an Kopf und Wirbelsäule. Selbst wenn er überlebe, seien gravierende Folgeschäden zu befürchten, sagte Steltner. Die Tat wird als islamistischer Anschlag eingestuft. Ein weiterer Motorradfahrer erlitt einen Brustwirbelbruch. Der dritte von Sarmad A. angegriffene Motorradfahrer habe mittelschwere Verletzungen erlitten, hieß es aus Sicherheitskreisen.

Leicht verletzt wurden drei Insassen eines Wagens, gegen das eines der Motorräder prallte. Der Täter hat nach Tagesspiegel-Informationen nach der Festnahme randaliert. Sarmad A. habe im Gewahrsam und bei der Blutentnahme Beamte angegriffen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt deshalb gegen den Iraker auch wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Hauptvorwurf ist jedoch dreifacher versuchter Mord.

Hinzu kommen gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr und gefährliche Körperverletzung. Oberstaatsanwalt Steltner sagte allerdings, eine Schuldunfähigkeit sei nicht auszuschließen. Eine psychiatrische Gutachterin bescheinigte Sarmad A. am Mittwoch „religiösen Wahn“.

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Der Iraker hatte kurz vor seiner Festnahme auf der Autobahn einen Gebetsteppich ausgerollt und „Allahu akbar“ gerufen. Auf seiner Facebook-Seite kündigte er offenbar die Tat auch an. Bevor die Seite am Mittwoch abgeschaltet wurde, waren ein Selfie von Sarmad A. mit dem Tatfahrzeug sowie auf Arabisch eine Parole zu sehen, in der ein Autosymbol mit dem Wort „Märtyrer“ und einem Bekenntnis zu Allah kombiniert wird.

Täter wollte auf Autobahn womöglich sterben

In der islamistischen Terrorszene werden Selbstmordattentäter als „Märtyrer“ glorifiziert. Womöglich wollte Sarmad A. bei dem Angriff auf der Autobahn sterben. Der Iraker äußerte sich gegenüber der Polizei allerdings nicht. Sarmad A. kam wegen der Diagnose „religiöser Wahn“ in die Psychiatrie. In Sicherheitskreisen ist auch von einer Schizophrenie die Rede.

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Sarmad A. war bereits im August 2018 im Flüchtlingsheim in Treptow-Köpenick mit einer Körperverletzung aufgefallen. Er bedrohte zudem die herbeigerufene Polizei und rollte auch damals einen Gebetsteppich aus. Sarmad A. kam kurz in die Psychiatrie. Das Verfahren gegen den Iraker endete im April 2019 mit einem Freispruch, wegen „phasenweiser Schuldunfähigkeit“, wie Generalstaatsanwältin Margarete Koppers am Mittwoch dem Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses berichtete.

Offen bleibt, ob A. von einem Sympathisanten der Terrormiliz „Islamischer Staat“ zu dem Angriff animiert wurde. Der Iraker habe mit einem islamistischen Gefährder in der Gemeinschaftsunterkunft gewohnt, sagte Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Donnerstag im Abgeordnetenhaus. Sicherheitskreise berichten von Kontakten zwischen A. und dem Gefährder.

Mehr als 60 islamistische Gefährder in Berlin

Ob dieser den Iraker radikalisierte, sei unklar. In Berlin hat die Polizei derzeit mehr als 60 Islamisten als Gefährder im Blick. Gefährder sind Personen, denen ein Anschlag zugetraut wird. „Berlin steht nach wie vor im Fokus von Terroristen“, sagte Geisel. Es sei wichtig gewesen, ein Antiterrorzentrum einzurichten. „Aber ein Anschlag wie auf der Autobahn ist nicht zu verhindern gewesen“, betonte der Senator.

Sarmad A. sei nicht in den Kreis derer aufgenommen worden, die Fußfesseln tragen müssten. Dafür hätten keine Erkenntnisse vorgelegen. Der Mann sei nach Ablehnung seines Asylantrages 2017 nicht abgeschoben worden, weil Deutschland seit Jahren keine Menschen in das Bürgerkriegsland zurückschicke, sagte Geisel. Sarmad A. war 2016 über Finnland nach Deutschland gekommen, sein Asylantrag wurde abgelehnt. Er konnte aber mit einer Duldung in der Bundesrepublik bleiben.

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Der Iraker ist bereits am Dienstagvormittag, Stunden vor dem Anschlag, aufgefallen. Seine Wohnung liegt am Beginn einer rund 100 Meter langen Einbahnstraße in Reinickendorf. Zwei Mitarbeiterinnen einer benachbarten Kita hörten gegen neun Uhr, wie ein Mann extrem laut auf einem Friedhof am Ende der Straße betete. Kurz darauf kam A. von dem Friedhof und lief mitten auf der Straße in Richtung seiner Wohnung.

Iraker sei bereits am morgen schreiend durch Straße gelaufen

„Er blickte sehr aggressiv, als wäre er im Krieg“, sagte eine Kita-Mitarbeiterin. Außerdem habe er eine Art Stange auf seinem Rücken gehabt, „sodass der sich eigentlich gar nicht hatte zum Beten vorbeugen können“. Der „Berliner Morgenpost“ schilderten Zeugen sogar, dass der Iraker bereits um sieben Uhr schreiend durch die Straße gelaufen sei.

Der Lärm sei so laut gewesen, dass Anwohner die Polizei gerufen hätten. Die habe Sarmad A. allerdings nicht mehr angetroffen. A.s Auto parkte gegen 16.30 Uhr vor einer Pizzeria. Dessen Besitzer ging um diese Zeit einkaufen und sah dabei sowohl das Auto als auch A. „Er fiel mir auf wegen seiner gehäkelten Mütze, er ging die Straße entlang.“ Um 17.30 Uhr kam der Restaurantbesitzer zurück. „Da war das Auto weg.“ Wenig später rammte Sarmad A. das erste Motorrad auf der A 100.

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