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Die Trauer um die Terroropfer ist angesichts der zahlreichen Anschläge weltweit auch in Berlin Teil des Alltags geworden.

©  Thilo Rückeis

Nach Anschlägen in St. Petersburg und Stockholm: Berlin trauert mit Blumen und Kerzen

Blumen vor der Gedächtniskirche, Unter den Linden und vor Nordischen Botschaften: Wie Berlin mit den Menschen, Städten und Ländern trauert, die Opfer des Terrors geworden sind.

Ein Teppich aus Blumen und Kerzen im Schatten der Gedächtniskirche. Eine 60 Schritte lange Trauerstrecke mit Blüten und Sprüchen am Zaun vor der Russischen Botschaft Unter den Linden. Und jetzt, am Rande des Tiergartens, frische Sträuße und die Fahnen der Nordischen Länder auf Halbmast. Aus aktuellem Anlass fragt man sich: Wie trauert Berlin mit den Menschen, Ländern und Städten, die Opfer eines Terroranschlags geworden sind? Was geht über das allgemeine Entsetzen und das aktuelle Tagesgespräch hinaus? Welche Möglichkeiten gibt es für den Normalbürger überhaupt, den immer häufigeren Überfällen auf unsere Zivilisation zu begegnen?

Gedenken mischt sich mit Wut

Eigentlich gar keine. Oder wenige. Eine davon ist das öffentliche Gedenken, die Anteilnahme. Man spürt, wie spontan und flüchtig manche Bekundungen des Mitleidens sind. „Wir trauern mit Euch“ hat jemand nach dem Attentat in St. Petersburg vom 3. April geschrieben und dazu die russischen Flaggenfarben Weiß, Blau und Rot gemalt.

Ein anderer hofft, Picassos rasch aufs Papier geworfene Friedenstaube möge daran erinnern, dass die weißen Tauben müde sind und lange schon nicht mehr fliegen. Indes:  „Die Falken fliegen weiter, sie sind so stark wie nie vorher“, wie es Hans Hartz in seinem augenscheinlich nie unaktuellen Lied gesungen hat. „Red Wolves Berlin“, offenbar ein Motorrad-Club, gedenkt mit einem Kranz voll prächtiger roter Rosen, und dann folgen in der langen blumenbunten Reihe politische Meinungen und Appelle beim Gedenken der Toten des Terroranschlags in St. Petersburg: „Ihr Politiker müsst Euch schämen!“, schreibt einer wütend, weil „zum würdigen Gedenken auch die Beleuchtung des Brandenburger Tores gehört“.

Der Toten wird Unter den Linden ebenso gedacht wie vor den Nordischen Botschaften.
Der Toten wird Unter den Linden ebenso gedacht wie vor den Nordischen Botschaften.

© Thilo Rückeis

Darüber kann man gewiss streiten. Aber Berlin hat nun einmal damit angefangen, sein wahrhaft historisches Einheitsdenkmal am Pariser Platz anzustrahlen, um Solidarität mit dem betroffenen Land und seinen Bewohnern zu zeigen – und das sollte auch so bleiben. Alles andere – ob es nun eine Partnerschaft gibt oder nicht – ist kleinliche Erbsenzählerei. Tod und Terror fragen nicht nach irgendwelchen Verträgen oder Partnerprotokollen. Nachdenken ist gefragt. Über die Ursachen. Und die Hilflosigkeit des Lesers der Botschaften: Was kann ich denn eigentlich dagegen tun?

Deutsch-russische Freundschaft?

Und wenn der mündige Wutbürger schon einmal am Wettern ist, dann richtig: Der Gedankensprung von einem nicht angestrahlten Tor zur deutsch-russischen Vergangenheit ist kurz: „Haben wir wirklich alles vergessen? Ist uns das russische Volk nicht immer friedlich begegnet? Wer hat uns unter großen Opfern vom Faschismus befreit? Danke, Russland!“, rufen die großen Druckbuchstaben. Es klingt ein wenig nach deutsch-sowjetischer Freundschaft. Aber es ist dennoch wahr. Der Polizist, der das Gedenken und die Botschaft bewacht, gibt zu bedenken, dass in Berlin sehr viele russische Menschen wohnen, die hier ihre Landsleute ehren, auf sehr sensible Weise. Wie lange werden die Blumen Unter den Linden liegen? „Wenn die Botschaft sagt, dass das weg kann, kommt das weg.“

Ausländische Touristen finden den Blumenflor bedeutend, fotografieren die Blütenstrecke wie alles andere, vor allem eine kleine Ikone zwischen den Rosen. Ein junger Deutscher zückt sein Handy, gibt „Stockholm“ ein und sagt zu seinen Freunden, dass sie schon einen gefasst hätten, aber ob das der Täter sei, ist fraglich. Ein kurzer Handy-Weg von St. Petersburg nach Stockholm. Wir fahren zur schwedischen Botschaft. Dort filmt gerade ein ZDF-Team die gesenkten Fahnen und die Blumensträuße. Eine Reporterin möchte wissen, weshalb ich eine Rose zu den anderen Blumen gelegt habe. „Ich denke an meine Freundin Lisbet in Stockholm“, sage ich. Mehr kann man leider nicht tun.

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